Lebensmittelsicherheit, HACCP, IFS, BRC & FSSC

Validierung in der Lebensmittelindustrie – diese Anforderungen stellen die Standards an die Prozessvalidierung

Die Prozessvalidierung ist ein wichtiges Thema der Zertifizierungsstandards innerhalb der Lebensmittelbranche. So wird die Validierung in der Lebensmittelindustrie immer häufiger gefordert. In Zertifizierungsaudits wird dem Auditor häufig „proforma“ etwas angeboten, das nur halbherzig umgesetzt wurde. Hauptsache, der Zertifizierungsauditor kann irgend eine Dokumentation dazu sehen und muss keine größere Abweichung formulieren. Wäre es da nicht sinnvoll, wenn Sie dieses Thema Validierung von Prozessen einmal grundlegend planen und kontinuierlich umsetzen, sodass Sie hieraus auch einen Nutzen für Ihr Unternehmen ziehen können? In diesem Beitrag zeigen wir Ihnen, was Validierung bedeutet und wie Sie diese Schritt für Schritt durchführen.

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(1) Wir zeigen, wie Sie mit Korrekturmaßnahmen entsprechend der Lebensmittelsicherheitsstandards umgehen sollten
(2) Die neue Version 8 des BRC – Global Standard for Food Safety – ist da!
(3) Food Fraud – Dies beinhalten die neuen Leitfäden aus den Lebensmittelstandards FSSC 22000 und IFS


Was versteht man unter Validierung in der Lebensmittelindustrie?

Im Glossar des IFS Food Version 6.1 findet sich folgende Definition:

Validierung: „Bestätigung durch die Bereitstellung objektiver Nachweise, dass die Anforderungen für den spezifisch vorgesehenen Gebrauch oder die Anwendung erfüllt sind.“

Sie sollen also im Rahmen Ihrer Validierung beweisen, dass Sie festgelegte Anforderungen erfüllen. Und dafür sollen Sie objektive Nachweise erbringen. Welche Anforderungen können dies grundsätzlich sein? Hier ein paar Beispiele:

  • Anforderungen von Kunden
  • Anforderungen des Gesetzgebers
  • Anforderungen in Bezug auf Lebensmittelsicherheit
  • Eigene Anforderungen an die Prozesse

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Wozu dient die Prozessvalidierung überhaupt?

In der Vergangenheit waren Audits auch dadurch geprägt, dass die Auditoren sich Nachweise für das Funktionieren von Prozessen aus den Aufzeichnungen des Unternehmens „heraussuchen“ mussten, um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Durch die betriebseigene Validierung sollen die Unternehmen nun verstärkt beweisen, dass ihre Prozesse das gewünschte Ergebnis erzielen. Ein weiterer Grund ist auch auf die rechtlichen Anforderungen zurückzuführen. Aus dem BGB und dem Produkthaftungsgesetz ergibt sich für die Unternehmen die sogenannte Beweislastumkehr. Der Geschädigte muss nur beweisen, dass er einen Schaden durch ein Produkt erlitten hat. Ansonsten muss insbesondere zur Schuldermittlung und damit ggf. zur zivilrechtlichen und strafrechtlichen Haftung das Unternehmen alle Nachweise erbringen. Auch zu diesem Zweck ist es sinnvoll, bereits im Vorfeld zu Produkthaftungsfällen den Beweis zu erbringen, dass sorgfältig gearbeitet wurde und die Prozesse im Unternehmen in der Lage sind, sichere und den Anforderungen entsprechende Produkte herzustellen.


Anforderungen der ISO 22000 an die Validierung in der Lebensmittelindustrie

Die ISO 22000:2018 unterscheidet grundsätzlich zwischen Validierung, Überwachung (wird oft auch Monitoring genannt) und Verifizierung:

Validierung:
erfolgt vor der Durchführung einer Tätigkeit und stellt Informationen zur Fähigkeit bereit, die angestrebten Ergebnisse zu liefern;

Überwachung:
erfolgt während der Durchführung einer Tätigkeit und liefert Informationen für Handlungen innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens;

Verifizierung:
erfolgt nach Abschluss einer Tätigkeit und stellt Informationen zur Konformitätsbestätigung bereit“

Im Kapitel 8.5 Gefahrenbewältigung geht es in der ISO 22000 um das HACCP-Konzept. Unter anderem sollen „Maßnahmen zur Beherrschung“ validiert werden (8.5.3). Zu diesem Thema werden auch in der Bekanntmachung der EU zu PRPs und HACCP vom 30.07.2016 Anforderungen geschildert. Im Rahmen der Prüfmittelüberwachung soll validiert (bewiesen) werden, dass „die Überwachungs- und Messverfahren und eingesetzten Geräte für die Überwachungs- und Messaktivitäten im Zusammenhang mit den PRPs und dem Gefahrenabwehrplan geeignet sind.“ Im Kapitel 10.2 Fortlaufende Verbesserung sieht die ISO 22000 es als Aufgabe und Verantwortung der Unternehmensleitung, dass die Wirksamkeit des Managementsystems fortlaufend verbessert wird. Hierfür sind verschiedene Maßnahmen bzw. Werkzeuge vorgesehen, unter anderem die Validierung von Prozessen.

Video: Risikobewertung in der Lebensmittelindustrie

Video: HACCP Gefahrenanalyse


Anforderungen des IFS Food 6.1 an die Validierung in der Lebensmittelindustrie

Der IFS geht noch weiter in seinen Anforderungen hinsichtlich der Validierung. Zunächst einmal werden an mehreren Stellen der Nachweis der Wirksamkeit oder tatsächlich eine Validierung gefordert:

1.4.3  Bewertung Infrastruktur
1.4.3  Bewertung Arbeitsumfeld
2.2.3.10  Wirksamkeit HACCP
2.2.3.7  Validierung Grenzwerte CCP
3.3.3  Wirksamkeit von Schulungsmaßnahmen
4.3.4  Validierung von Haltbarkeitsfristen
4.3.8  Validierung von Nährstoffangaben
4.6.1  Wirksamkeit von Maßnahmen gegen Einfluss durch die Betriebsumgebung
4.8.2  Wirksamkeit der Maßnahmen gegen Kontaminationen
4.10.4  Wirksamkeit von Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen
4.12.3  Wirksamkeit von Fremdkörperdetektion
4.13.6  Wirksamkeit von Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen

Immer, wenn es darum geht, die Wirksamkeit zu bestätigen, geht es auch im weiteren Sinn um eine Validierung. Die Hauptanforderung zum Thema Validierung stellt der IFS Food aber im Abschnitt 5.3 Prozessvalidierung und -lenkung.

AnforderungenBedeutung
Eindeutige Definition der Kriterien für die ProzessvalidierungErarbeitung von wissenschaftlichen Nachweisen, dass die Prozesse in der Lage sind, konforme Produkte zu liefern. Im Vorfeld erfolgt die Planung der zu bewertenden Kriterien
Überwachung von relevanten Kriterien kontinuierlich oder in angemessenen IntervallenVerifizierung, dass die Prozesse wie beabsichtigt funktionieren, Planung von Überwachung (Monitoring) und Verifizierung
Validierung von Nacharbeiten (Rework)Nachweis, dass der Prozess unter Kontrolle bleibt, auch bei Nacharbeiten oder Einsatz von Rework
Unverzügliche Meldung von Störungen und ProzessabweichungeNachweis einer Reaktion auf Fehlfunktionen
Grundlage für Validierung: relevante Daten; erneute Validierung bei ÄnderungenErhebung von wissenschaftlich auswertbaren Daten, neue Beweisführung bei Änderung von Prozessen

In der Vergangenheit ist das Thema Prozessvalidierung von Auditoren häufig nicht so intensiv abgeprüft worden, wie der IFS dies vorgesehen hat. Daher werden Auditoren in den zweijährig stattfindenen Calibrationtrainings verstärkt darauf hingewiesen, wie dieses Thema zu prüfen und zu bewerten ist. Auf jeden Fall wird es zukünftig verstärkt C- und D-Abweichungen geben, wenn Sie keine oder nur eine unzureichende Prozessvalidierung nachweisen können.


Validierung neuer Prozesse in der Lebensmittelindustrie

Grundsätzlich sollten Sie immer vor der Einführung neuer Prozesse oder vor Änderung bestehender Prozesse zunächst prüfen, ob diese Prozesse für die Konformität der Produkte maßgeblich sind. Diese Prüfung sollte auch durch schriftliche Nachweise nachvollzogen werden können. Immer, wenn Sie zu dem Schluss kommen, dass der neue Prozess für die Qualität und Sicherheit der Produkte relevant ist, sollten Sie vor der Realisierung des Prozesses eine entsprechende Validierung planen und vornehmen. Als Beispiele für solche Fälle könnten angeführt werden:

  • Einführung neuer Reinigungsverfahren, z.B. neue Reinigungsmittel
  • Geänderte Erhitzungsverfahren
  • Anschaffung neuer Anlagen, z.B. neue Pumpen, neue Abfüllanlagen
  • Entwicklung neuer Produkte
  • Neue Prüfverfahren
  • Neue Hygieneregeln und PRPs

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Anlagenqualifizierung in der Lebensmittelindustrie

Insbesondere vor der Einführung neuer (produktrelevanter) Anlagen sollte immer eine Validierung erfolgen. Hierbei wird dann in der Regel von Anlagenqualifizierung gesprochen. Um sich hierfür einen Überblick zu verschaffen, ist es sinnvoll, sich an der Pharma-Industrie zu orientieren, für die die Anlagenqualifizierung schon lange gängige Praxis darstellt. Seit 2018 gibt es hierzu einen Leitfaden der EU.
In der Anlagenqualifizierung gibt es 5 Schritte, in denen eine Bewertung nachweislich vorgenommen werden soll:

  • Qualifizierung des Designs während der Planung und des Baus neuer Anlagen (Erstellung eines Lasten- und Pflichtenhefts, Prüfung der Vorgaben auf Wirksamkeit)
  • Qualifizierung der Installation und des Materials (Abgleich mit den Planungsvorgaben bei Installation, inkl. Dokumentation z.B. von Konformitätserklärungen)
  • Qualifizierung der Funktion (Abgleich mit Pflichtenheft, Betriebstests unter „Worst-Case-Bedingungen“)
  • Qualifizierung der Leistungen (Ermittlung effektiver und reproduzierbarer Leistungen unter produktionsbedingungen mit realen Produkten)
  • Prozessvalidierung (Wirksamkeitsermittlung des gesamten Prozesses oder der Teilprozesse)

Für diese Schritte sollten Sie jeweils eine Planung als auch den Nachweis vorweisen können, wenn Sie neue Anlagen eingeführt haben.


 Auswahl der zu validierenden Prozesse

Schauen Sie sich Ihre Prozesse (oder auch Teilprozesse) genau an. Welche davon sind relevant für die Qualität und Sicherheit (Konformität) Ihrer Produkte? Mögliche Prozesse können z.B. sein:

  • Erhitzungsprozesse (z.B. Pasteurisierung, UHT, Sterilisierung, Backen)
  • Heißabfüllung
  • Auftauen, Einfrieren
  • Konservierung
  • Kühlen, Kühllagerung, TK-Lagerung
  • Frosten
  • Luft, Sterilluft, Luftverteilung, Luftdruck
  • Antimikrobielle Tauchverfahren
  • MAP-Verpackungen (Schutzgas)
  • Vakuumverpackung
  • Packmittelentkeimung
  • Reinigungsverfahren
  • Destillieren, Aufreinigung, Filtrationsverfahren
  • Metalldetektion, Röntgendetektion, sonstige Detektion
  • High-Risk-Bereiche (Maßnahmen)

Es wird zwar immer darüber gesprochen, dass eine Validierung vor der Einführung von Prozessen durchgeführt werden soll, aber zum Nachweis der Funktionalität und Wirksamkeit der wichtigen Prozesse sollten Sie auch in deren laufender Anwendung eine Validierung vornehmen.

Video: HACCP Konzept verifizieren

Video: Was ist HACCP?


Planung der Validierung

Nun gehen Sie daran, mit den verantwortlichen Fachleuten Ihres Unternehmens die jeweilige Validierung zu planen. Dabei sollten Sie folgende Schritte einhalten und deren Ergebnis dokumentieren:

  • Definition der Zielsetzung des Verfahrens
  • Definition der Zielsetzung der Validierung
  • Beschreibung des Produktes/Prozesses
  • Angaben zu Anlagen bzw. Hilfsmitteln
  • Festlegung von Prüfmaßnahmen (ggf. Verifizierungen), Art, Methode sowie Anzahl der Messungen
  • Festlegung von Grenzwerten (annehmbares Maß)
  • Beschreibung der Auswertung
  • Zeitplan
  • Verantwortlichkeiten
  • Häufigkeit der Validierung

Durchführung der Validierung in der Lebensmittelindustrie

Führen Sie nun die für die Validierung nötigen Schritte durch, wie Sie diese geplant haben. Dokumentieren Sie während der Validierung alle maßgeblichen Parameter:

  • Beschreibung der Durchführung (Details der Versuchsaufbauten, Messgeräte und Messungen)
  • Fotodokumentation
  • Erwartete Messergebnisse
  • Tatsächliche Messergebnisse
  • Statistische Auswertung der Messergebnisse
  • Bewertung der Ergebnisse
  • Ableitung von notwendigen Maßnahmen (Maßnahmensteuerung: Was? Wer? Bis wann?)
  • Herleitung von Prozessvorgaben (z.B. Arbeitsanweisungen)
  • Herleitung von Prüfvorgaben (z.B. Prüfanweisungen)

In Audits sieht man manchmal zwar die aufgezeichneten Daten, wenn’s gut läuft auch noch statistische Auswertungen, aber eine abschließende Bewertung fehlt häufig. Denken Sie unbedingt an eine schriftliche Bewertung Ihrer Ergebnisse im Hinblick auf die ursprüngliche Fragestellung (z.B. Kann durch das neue Reinigungsmittel gewährleistet werden, dass durch die Reinigungsverfahren alle verarbeiteten Allergene entfernt werden?). Aus dieser Bewertung sollen dann natürlich die nötigen Maßnahmen abgeleitet und diese in die Vorgaben Ihres Managementsystems übernommen werden.

Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen,
Ihre Ute Wedding


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