QM Qualitätsmanagement ISO 9001 Prozesse

QM Dokumentation DIN EN ISO 9001 – Dokumentationsanforderungen

So viel wie nötig, so wenig wie möglich – so schaffen Sie eine schlanke QM Dokumentation

Der Hauptansatzpunkt für Kritik an Qualitätsmanagement Systemen ist zweifelsohne die regelmäßig inflationär ausgeuferte QM Dokumentation , deren Anwendung und Pflege mit zum Teil immensem Aufwand verbunden ist. Falls dies in einer Organisation der Fall ist, muss das QM-System umgehend „entschlackt“ werden, um den Blindleistungsaufwand zu reduzieren und die Akzeptanz bei den Mitarbeitern zu steigern. Häufig werden neue QM Dokumente mit dem Hinweis begründet „die DIN EN ISO 9001 würde diese fordern“. Lesen Sie im Folgenden, ob dies wirklich so ist.

Dokumenten-Overflow – Gesamtschuldner ISO 9001?
Ein Szenario: Ein Vorgesetzter muss eine verpflichtende Arbeitsvorgabe für seine Mitarbeiter treffen, scheut sich jedoch aus Angst vor Diskussionen davor, diese zu begründen. Er „umschifft“ diese Situation gekonnt, indem er die DIN EN ISO 9001 vor seinen Karren spannt und behauptet: „Die Norm fordert dies nun mal, da kann ich auch nichts machen“. Man könnte in diesem Zusammenhang schon fast von „Missbrauch“ sprechen. In einem anderen Fall verlangte ein Firmenchef im Originalton: „Die QM Dokumente müssen sicherstellen, dass mir die Mitarbeiter nicht mehr auskommen!“. Auf Nachfrage wurde deutlich, dass er bei Fehlern immer auf dezidierte Vorgaben der QM Dokumente verweisen können wollte, um Schuldige zu produzieren. Die Folge dieser oder ähnlicher Denkweisen ist – früher oder später – eine ausufernde QM Dokumentation ! Mit der Norm hat dies jedoch nicht wirklich etwas zu tun.

Hinweis: Dieser Beitrag bezieht sich auf ISO 9001:2008. Diese wurde inzwischen durch die neue ISO 9001:2015 abgelöst. Einen Beitrag über die wichtigsten Änderungen der Revision ISO 9001.2015 finden Sie hier.

Dies fordert die Norm wirklich an QM Vorgabedokumenten
Im Abschnitt 4.2 stellt die DIN EN ISO 9001 klar, dass die Vorgabedokumentation zum Qualitätsmanagement System folgende Umfänge enthalten muss:

1.     Eine dokumentierte Qualitätspolitik und Qualitätsziele.
2.     Ein Qualitätsmanagement Handbuch (ohne definierten Umfang!).
3.     Sechs Pflichtverfahren, die auch (zumindest teilweise) zusammengefasst werden können.
4.     Dokumente, die die Organisation zur Sicherstellung der wirksamen Planung, Durchführung und Lenkung ihrer Prozesse benötigt (ohne Spezifizierung).

Die unter 1. bis 3. genannten Dokumente stellen somit den „fixen“ Umfang eines jeden Qualitätsmanagement Systems dar. Für den unter 4. genannten „variablen“ Dokumentenumfang heißt es in der zugehörigen Anmerkung lediglich, dass für dessen Umfang die

–       Größe des Unternehmens,
–       Art der Tätigkeiten,
–       Komplexität der Prozesse und
–       Kompetenz des Personals

relevant sind.
Weiterhin sind an unterschiedlichen Stellen der DIN EN ISO 9001 Hinweise platziert, dass in den unter 4. genannten Dokumenten gewisse Festlegungen zu treffen sind. Die konkreten Dokumentationsanforderungen finden Sie in der unteren Grafik dargestellt. Damit ist eindeutig bewiesen: Dokumentationsanforderungen der DIN EN ISO 9001 sind nicht verantwortlich für eine ausufernde QM Dokumentation !


Passend zum Thema haben wir zwei Vorlagen für Sie:
1. QM Dokumentation Arbeitsanweisung Vergabe von Dateinamen – kostenloser Download!
2. QM Dokumentation – Verzeichnis Aufzeichnungen

Nutzen Sie Regelstufen zur Identifikation der QM Dokumente
Die Notwendigkeit von Dokumenten ergibt sich also nur zu einem sehr geringen Teil aus der DIN EN ISO 9001 selbst, sondern indirekt aus den betrieblichen Bedürfnissen. Folgende Regelstufen helfen Ihnen bei der Entscheidung, ob ein Vorgabedokument in Ihrem Qualitätsmanagement sinnvoll bzw. notwendig ist.

  1. Regelstufe = Organisieren
    Organisieren Sie wichtige, regelmäßig auftretende Situationen (tägliche Arbeiten) die unabhängig vom einzelnen Mitarbeiter umzusetzen sind, durch prozessbezogene Vorgabedokumente, wie zum Beispiel-   Verfahrensanweisungen,
    –   Arbeitsanweisungen,
    –   Prüfanweisungen,
    –   Checklisten,
    –   Formblätter.Bei der Formulierung des „Detaillierungsgrades“ der Vorgaben sollten immer die Zielgruppen, d.h. die Mitarbeiterkreise und deren Kompetenzniveau den Ausschlag geben.
  2. Regelstufe = Strukturieren
    Nur sporadisch auftretende bzw. zu erwartende Situationen sollten in prozessübergreifenden Dokumenten strukturell behandelt werden, im Sinne der Festlegung eines Vorgehensmusters für alle relevanten Fälle. Zum Beispiel sollten im Umgang mit Behörden von allen Mitarbeiter gewisse Prinzipien beachtet werden.
  3. Regelstufe = Improvisieren
    Lassen Sie Ihren Mitarbeitern, speziell in Fällen der 1. Regelstufe, für unvorhergesehene bzw. außergewöhnliche Situationen immer ausreichend Handlungsspielräume. Handlungsnotwendigkeiten ohne dezidierte Vorbereitung, wie z.B. bei Sonderanfertigungen, werden Sie nie vermeiden können. Für diesen Fall ist eine eindeutige Festlegung der Befugnisse unverzichtbar.
    Tauchen z.B. in einzelnen Prozessen Fehler auf, besteht ggf. Handlungsbedarf die Dokumentation zu erweitern bzw. zu verbessern, jedoch immer nur so viel wie nötig!

Reinhold Kaim (QM-Experte)

 

 

 

2 Comments

  1. Stephan Bachmeier
    23. Oktober 2014 at 19:44 — Antworten

    Guten Abend Herr Kaim,

    habe eine Frage zu den Begriff “ Dokumentation “ unter DIN EN ISO 9001.

    Was versteht die Norm DIN EN ISO 9001 unter den Begriff “ Dokumentation “ ?

    a ) Qualitätsmanagementhandbuch
    b ) Nachweis der Erfüllung von Qualitätsforderungen
    c ) Nachweis zur Beurteilung von QM-Systemen
    d ) Prüfprotokoll

    Ich denke nur a und b sind aus meiner Sicht relevant, ist das auch Ihre Vorstellung ? Herzlichen Dank für die kurzfristige Antwort

    Mit freundlichen Grüssen,
    S.Bachmeier

    • 24. Oktober 2014 at 17:26 — Antworten

      Hallo Herr Bachmeier,

      generell fasst die Norm ISO 9001 unter „Dokumentation“ die Begriffe „Qualitätsdokumente“ und „Qualitätsaufzeichnungen“ zusammen.

      Qualitätsdokumente haben dabei anweisenden (Vorgabe-) /informellen Charakter (wie Pläne, Spezifikationen, Arbeitsanweisungen etc.) – Aufzeichnungen haben hingegen einen Nachweis-/Ergebnischarakter (Protokolle, Prüfergebnisse, (Managementbewertungen, Auditberichte …). Nach dieser Definition ist das u.a. QMH ein Q-Dokument, die anderen drei „Dokumentationen“ sind Q-Aufzeichnungen.

      Viele Grüße
      S.Zach

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert