Wie funktionieren die Lieferantenbewertung und die Lieferantenentwicklung zum Vorteil des eigenen Unternehmens?
Wie funktionieren die Lieferantenbewertung und die Lieferantenentwicklung zum Vorteil des eigenen Unternehmens? Nachdem wir uns vor einiger Zeit mit dem Thema Lieferantenauswahl befasst haben, beschäftigen wir uns heute mit der Bewertung der bereits qualifizierten Lieferanten. „Potenzial erkannt – aber selten genutzt“ – zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der TU Berlin, welche die aktuelle Situation des ganzheitlichen Lieferantenmanagements in Industrie, Handel und Dienstleistung untersucht hat. Obwohl Unternehmen die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Lieferantenmanagements erkannt haben, werden bestehende Potenziale immer noch nicht durchgängig genutzt. Die Tatsache, dass erhobene Leistungsdaten der Lieferanten oft nur unregelmäßig oder lediglich bei auftretenden Defi ziten „reaktiv“ betrachtet werden, macht dies deutlich. Mit Blick auf die immer wichtiger werdende Bedeutung der Beschaffung für den Unternehmenserfolg, wird jedoch ein „pro-aktives“ Risikomanagement der Lieferantenbasis essentiell wichtig. Deshalb werden nachfolgend die Strukturen einer Lieferantenbewertung im Sinne des risikobasierten Ansatzes der DIN EN ISO 9001 diskutiert.
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Die Bewertung von Lieferanten muss vertretbar & nutzbringend sein
Die meisten Unternehmen beschaffen unterschiedliche Materialgruppen bzw. Leistungsarten bei einer größeren Anzahl von Lieferanten. Durch die verstärkte Einbindung der Lieferanten in die eigene Wertschöpfungskette ergeben sich Risiken, aber auch Chancen. Outsourcing bietet die Chance der Einsparung von Kosten. Nimmt jedoch die Liefertreue eines Lieferanten ab, kann dies zu einer Unzufriedenheit der eigenen Kunden und damit zum Risiko des Verlusts dieser Kunden führen. Werden nun in „blindem Aktionismus“ alle Lieferanten über einen Kamm geschoren, kann die unzumutbar hohe Anzahl an Bewertungsvorgängen den Beschaffungsprozess „lähmen“. Deshalb ist es ratsam, sich ganz im Sinne des risikobasierten Ansatzes auf die wichtigen Beschaffungsumfänge und Lieferanten zu konzentrieren. Überlegen Sie sich genau, in welchen Fällen eine Lieferantenbewertung sinnvoll bzw. notwendig ist.
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Die wichtigen Lieferantentypen herausfiltern
Die Kriterien der Überwachung und Bewertung von Lieferanten sind stark vom Typus des Lieferanten abhängig. Die Betrachtung des Einkaufsvolumens oder die strategische Bedeutsamkeit von Materialgruppen bzw. Dienstleistungen sind beispielsweise geeignete Kriterien, um die Lieferanten herauszufiltern, die bei der Lieferantenbewertung intensiver betrachtet werden sollten. Deshalb könnten Lieferanten in Gruppen mit ähnlichen Kriterien eingeordnet werden:
Standardlieferant
Austauschbarer Lieferant von einfachsten Komponenten bzw. austauschbaren Dienstleistungen in geringem Umfang.
Ziel: Stabilen Prozess sicherstellen
Hebellieferant
Austauschbarer Lieferant von qualitätsrelevanten Komponenten und Modulen bzw. Dienstleistungen in hohemUmfang.
Ziel: Potenzial nutzen, Prozess optimieren, Kosteneffizienz sicherstellen.
Engpasslieferant
Lieferant von speziellen bzw. schwer zu beschaffenden Komponenten bzw. Dienstleistungen in relevantem Umfang.
Ziel: Versorgung langfristig absichern, Risiko aufteilen.
Strategischer Lieferant
Ideenlieferant, Entwicklungs- und Wertschöpfungspartner.
Ziel: Win-Win-Situation schaffen, langfristige Beziehungen pflegen, Stabilität sicherstellen.
Beispielhafte Zuordnung von Lieferantentyp und Bewertung von Lieferanten
In der folgenden Tabelle finden Sie einige Beispiele zur Beurteilung und Entwicklung Ihrer Lieferanten. So erfahren Sie, welcher Lieferant Ihre Anforderungen am besten erfüllt.
Bewertungskriterium (Messgröße) | Lieferantentypus | Standardlieferant | Hebellieferant | Engpasslieferant | Strateg. Lieferant |
Konditionen | Preis Lieferant/Kosten im Branchendurchschnitt | x | x | ||
Konditionen | Einsparungen bei Fremdvergabe/eigenen Kosten | x | |||
Kostentransparenz | Detaillierter Nachweis bestimmter Kostengruppen | x | |||
Finanzielle Risiken | Bonitätsbewertung durch Ratingagentur | x | x | ||
Fehlerhäufigkeit | Beanstandete Lieferungen/alle Lieferungen | x | x | x | |
Reklamationsverhalten | Sofort akzeptierte 8D-Reports/alle 8D-Reports | x | x | ||
Qualitätspotenzial | Ergebnisse von Lieferantenaudits | x | x | x | |
Qualitätspotenzial | Vorhandene Managementsystem-Zertifikate lt. Liste | x | x | x | |
Qualitätspotenzial | Umsetzungsgrad der Vereinbarungen (QSV, Ziele) | x | x | x | |
Mengentreue | Häufigkeit Unterlieferung/Gesamtlieferungen | x | x | x | |
Termintreue | Häufigkeit Spätlieferung/Gesamtlieferungen | x | x | x |
Welche Kriterien können bei der Lieferantenbewertung herangezogen werden?
Die erste Priorität haben bei vielen Einkäufern immer noch die Kostengesichtspunkte. Bei der Betrachtung der Lieferantentypen wird jedoch schnell klar, dass die Bewertung nur nach Kosten nicht zielführend sein kann. Je nach Typus spielen andere Kriterien wie Qualität, Versorgungssicherheit, Risiko und Innovationsfähigkeit eine viel entscheidendere Rolle. Deshalb gilt es den übergeordneten Hauptkriterien auf einer zweiten und gegebenenfalls sogar dritten Ebene detaillierte Bewertungskriterien zuzuordnen, wie z.B.:
Finanzen
- Konditionen (Branchenvergleich)
- Kostentransparenz (Klarheit)
- Finanzielle Risiken (Rating)
Qualität
- Fehlerhäufigkeit (Überwachung)
- Reklamationsverhalten (Vertrauen)
- Qualitätspotenzial (KVP
Logistik
- Mengentreue (Verlässlichkeit)
- Termintreue (Verlässlichkeit)
- Lieferflexibilität (Risikomanagement)
- Lieferzeit (Auftragsdurchlauf)
- Lieferrisiken (Standort, Technik, …)
Leistungsfähigkeit
- Servicegrad (Serviceumfänge)
- Innovationskraft (Neuentwicklungen)
- Umweltverhalten (ökologische Aspekte)
- Sozialverhalten (ethische Aspekte)
Die für den jeweiligen Lieferanten passenden Bewertungskriterien schaffen die Basis für ein unternehmensspezifisches und objektives Bewertungsverfahren, welches die Möglichkeit bietet, Lieferanten mathematisch und graphisch einzuordnen, um eine Rangfolge der Lieferanten zu erstellen („Prioritätenliste“), die den aufgestellten Zielsetzungen am ehesten entspricht. Ein „pro-aktives“ Vorgehen ist nur dann möglich, wenn eine Veränderung der Lieferantenleistung schnell erkannt werden kann. Hierzu sollte die Bewertung der Lieferanten mindestens einmal pro Quartal erfolgen. Nur dann sind diese Informationen stets aktuell und bieten eine solide Arbeitsgrundlage zur Steuerung der Lieferanten.
Bei der Bewertung und Entwicklung der Lieferanten gilt: Stärken fördern & Schwächen eliminieren
Mit einer Punktevergabe an den Stellen der Zuordnung in der Tabelle ist eine erste Übersicht über die Stärken und Schwächen der Lieferanten möglich. Mit einer Gewichtung der jeweiligen Kategorien, können die für das Unternehmen wichtigsten Kategorien in den Vordergrund geschoben werden und es wird deutlich, welcher Lieferant die Anforderungen des Unternehmens tatsächlich am besten erfüllt und bei welchem Lieferanten Maßnahmen eingeleitet werden müssen.
Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen,
Ihr Reinhold Kaim
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