SIX SIGMA und oder KVP ?!
Wer sich für die Einführung von KVP entscheidet, hat die ISO 9000ff-Normen richtig verstanden. Hier wird gleich an mehreren Textstellen der 9000, 9001 und 9004 die „Ständige Verbesserung“ als Weg und Ziel proklamiert. Da die 9001 letztlich nur die Mindestanforderungen zur Zertifizierung von Qualitätsmanagement-Systemen darstellt, gerät das Streben nach Ständiger Verbesserung und damit Einrichten eines KVP zur Pflichtaufgabe eines ordentlich zertifizierten Unternehmens. Um im stets heisser werdenden Haifischbecken des internationalen Wettbewerbs zu bestehen, kann man natürlich auch mehr tun – muss man vielleicht auch mehr tun.
Immer mehr Unternehmen entscheiden sich daher auch für die Ausübung der Königsdisziplin der Prozessoptimierungstechniken – Six Sigma. Brauche ich deswegen keinen evtl. bereits etablierten und vielleicht auch gut laufenden KVP mehr ? Stehen beide sich gar auf den Füßen wie ein Rechts- und Linksausleger beim Boxen – gibt’s da mehr Konkurrenz als Synergie? Um die Fragen zu beantworten, liegt es nahe, beide Initiativen mal bezüglich einiger Facetten zu vergleichen:
Herkunft und Anspruch
KVP – vielleicht der europäische Weg des KAIZEN – entspringt sicherlich mehr der fernöstlichen Philosophie, viele kleine oder mittelgroße Verbesserungen zu sammeln und dadurch voran zu kommen. Der eher westlich orientierte Ansatz des Six Sigma zielt auf seltenere, dafür aber durchbruchsartige Erfolge.
KVP sucht hierbei eher eine schnelle, Six Sigma eher die beste Lösung. Das liegt sicherlich auch an den i.d.R. unterschiedlichen Ausgangssituationen zur Auswahl der jeweiligen Vorgehensweise. Haben wir es mit komplexen Prozessen zu tun, die bestimmt werden durch eine Vielzahl von Einflussgrößen und Wechselwirkungen, liegt Six Sigma nahe – sind die Untersuchungseinheiten etwas überschaubarer und die Analysetiefe daher nicht so entscheidend, ist KVP gefragt.
Bewertung
Bei Six Sigma steht eindeutig das Erzielen eines wesentlichen Nutzens im Vordergrund, in erster Linie einer deutlichen Kosteneinsparung. KVP zielt wesentlich auf Zeit- und Materialeinsparung, Vereinfachung von Arbeitsabläufen, Reduzierung von Verschwendungen ab – deutliche Kosteneinsparungen stehen nicht im Vordergrund.
Lösungsansatz
Six Sigma Erfolge werden deutlich überwiegend durch Projektarbeit erzielt, ausgelöst durch die Initiierung eines Projektsponsors und damit des Managements. KVP ist eventorientiert, kann in Form von Qualitätszirkeln und KVP-Workshops strukturiert werden – zumindest beim Alltags-KVP setzen die Mitarbeiter in Eigenregie die Verbesserungsaufgaben an und die Maßnahmen um. Dabei folgen Sie dem bewährten Ansatz des Deming-Kreises, dem PDCA-Zyklus, während Six Sigma-Projekte das Phasen-Modell DMAIC verbindlich einhalten.
Training und Werkzeuge
Green und Black Belts fungieren als Six Sigma Projektleiter und erhalten eine umfassende Ausbildung – eine schlagkräftige Verbindung aus einfacheren und komplexeren statistischen Werkzeugen, zahlreichen soft tools sowie einer guten Portion soft skills ist ihr Erfolgsrezept.
KVP klappt nur dann gut und dauerhaft, wenn auch hier KVP-Coaches ihre Moderatorenrolle sowie einige Qualitäts- (Q7) und Managementwerkzeuge beherrschen. Beschreibende Statistik gehört zum Portfolio – schließende statistische Testverfahren meist eher nicht und gelten als Begeisterungsanforderung.
Organisatorischer Rahmen
Je größer der Six Sigma Rollout ist, desto mehr werden gut gesetzte Rahmenbedingungen zu Erfolgsfaktoren, so z.B. das Rollenverständnis der Protagonisten Yellow / Green / Black / Master Black Belt sowie des Lenkungsausschusses, eine nachvollziehbare Projektauswahl, eine vergleichbare Net-Benefitrechnung etc.. Bei KVP sind die koordinativen Eckpfeiler i.d.R. etwas lockerer ausgelegt, allerdings manchmal auch der Grund dafür, dass es nicht dauerhaft gut läuft – hier empfiehlt sich eine ähnliche Struktur (Entscheidungsgremium für Umsetzung gravierender Maßnahmen, KVP-Koordinator ähnlich zum MBB, KVP- Coach ähnlich zum Belt).
Betrachtet man nun die jeweiligen unterschiedlich ausgeprägten Facetten, wird doch sehr schnell erkennbar, dass es überhaupt keinen Grund geben muss, KVP und Six Sigma in Konkurrenz zu sehen. Sicherlich ca. 3/4 der Optimierungen im Bereich der niedrig- und mittelhoch-hängenden Früchte sind mit KVP-Aktivitäten erreichbar, für die top-hanging fruits stehen dann Six Sigma-Projekte zur Wahl – ich brauche im Unternehmen halt nur jemanden, der dies erkennt und diese Wahl jeweils (gut) trifft.
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