Trainingseindrücke – SIX SIGMA
Ein wesentlicher Bestandteil der Six Sigma Strategie ist die Ausbildung spezielller Experten, die sich je nach Ausbildungsgrad dann Yellow, Green, Black oder Master Black Belt schimpfen dürfen. Genau in dieser Reihenfolge wächst auch die Anzahl der einsatzbereiten Waffen im ewigen Kampf gegen Variation, die keiner braucht, Verschwendung, die keiner (mehr) sieht, Nacharbeit, die als Stand der Technik eingeordnet wird, niedrigen Ausbeuten und hohen Fehlerraten, die als solche stillschweigend akzeptiert werden.
Um den Umgang mit diesen Waffen (= Werkzeugen) – im Alltag modular sowie im Projekt in Kombination – zu schärfen, braucht es schon mehr als nur ein wenig Training. Ganz grob unterschieden werden hier so genannte Soft Tools und so genannte Hard Tools. Vorangestellte – z.B. Ishikawa-Diagramm, FMEA oder Stakeholder-Analyse – sind auf den ersten Blick leicht erlernbar, erweisen sich in der Anwendung im Six Sigma Team allerdings oft nicht ganz ohne, da gern versehen mit kommunikativen Falltüren und mentalitätsbedingten Vorhängeschlössern der Beteiligten.
Würstchen grillen, Eier kochen, Hochzeitsfeier planen und weitere Alltagsprozesse sind hier ausgezeichnet geeignet, abseits von Betriebsalltag und Projektzielerreichungsdruck als Hintergrundsituation für die unfallfreie und zielgerichtete Anwendung dieser Werkzeuge entlang eines roten Fadens (z.B. Quality Functional Deployment) zu dienen. Aufgabe der Belts ist es dann, diese Erkenntnisse und Herangehensweisen auf die jeweils konkrete Aufgabensituation im (scharfen) Projekt zu projizieren.Die Hard Tools zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Mittel etwas schwerer zu erlernen sind – zum einen dadurch, dass viele Werkzeuge absolut neu für die Trainings-Teilnehmer sind (oder manche einfach nur neu erscheinen, da nach Schulzeit bzw. Studium aus der Erinnerung und dem Gesichtsfeld aktiv verdrängt ) – mehr aber noch einige davon deutlich über den gesunden Menschenverstand – mal stillschweigend als vorhanden vorausgesetzt – hinausgehen.
Logistische Regressionsanlayse, Teilfaktorielle Statistische Versuchspläne, Balancierte Varianzanalyse und Co., aber auch die einfacheren statistischen Hypothesentests wie F-Test, T-Test oder Chi2-Test sprechen Wahrnehmungskanäle in uns an, von denen wir vorher nichts geahnt haben (vielleicht ähnlich der Verkaterung innenliegender Muskelgruppen nach gezieltem Beckenbodentraining!) Hier gilt es ganz besonders – nach einer absolut notwendigen, aber kurzen theoretischen Einführung, auf Basis zahlreicher Übungsbeispiele mit Daten aus den verschiedensten Prozesssituationen die Anwendung en detail zu erlernen – auch verschiedene Facetten und Varianten, v.a. aber auch die jeweiligen Grenzen und Einschränkungen dieser Werkzeuge zu erkennen.
Ein seriöser Umgang mit diesen Tools ist absolute Verpflichtung! Man will sich ja nachher weder einen fahrlässigen Umgang hiermit vorwerfen lassen, der dann auch zu falschen Schlüssen und Entscheidungen führen kann, noch das Vorurteil bestätigt sehen, sich der Statistik nur zu bedienen, um andere hinters Licht zu führen oder seine eigenen mehr oder weniger guten Ab- und Ansichten durchsetzen zu wollen. Dafür ist es allerdings – wie der eine oder andere vermuten mag – überhaupt nicht notwendig, haufenweise komplizierte Formeln auswendig zu lernen, schon gar nicht, diese mathematisch abzuleiten – dafür hat’s im letzten Jahrhundert zahlreiche Protagonisten gegeben, die den lieben langen Tag nichts anderes im Sinn hatten, als genau das zu tun – dieses Rad muss man wirklich nicht neu erfinden. Und es bringt einem dem Ziel, erfolgreiche Six Sigma Projekte durchzuführen, kein Stück näher.
Viel wichtiger ist hier, den Umgang mit der unverzichtbaren Statistiksoftware (Minitab oder dergleichen) ausgiebig zu pflegen, ein unschätzbarer Mehrwert, der hierbei erzeugt wird. Natürlich kann und sollte man in die Trainingsarbeit auch das eine oder andere Mal aktive Datensammlung einbringen, sei es, um die Gruppe mal ein wenig aufzulockern, sei es, um die eine oder andere hiermit verbundene Schwierigkeit erkennen zu lassen.
Da kann es – je nach Trainervorlieben schon mal dazu kommen – dass man Münzen mit verschiedenen Techniken vor die Wand wirft und nachher den Abstand von derselben misst, dass man Kopfschmerztabletten im Wasserglas einrührt, um Einflüsse bestimmter Faktoren auf deren Lösezeit zu untersuchen, dass man Katapulte verwendet, um Weitenpräzisionsunterschiede bestimmter Wurfgeschosse festzustellen, dass man rote Kügelchen durch flipperähnliche, Quincunx-genannte Holzspielzeuge laufen lässt und, und, und …
Ganz wichtig: Es gilt aber auch hier, nicht zu übertreiben ! Denn, was haben wir davon, wenn der Black Belt Kandidat zwar 3 Stunden lang bewiesen hat, verschiedene Hubschraubertypen basteln zu können (die sich dann nur wenige Sekunden in der Luft halten), wenn er anschließend – aufgrund der dann fehlenden Zeit – leider nicht in der Lage ist, den entsprechenden statistischen Versuchsplan mit Minitab unfallfrei auszuwerten und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen !?
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