QM Qualitätsmanagement ISO 9001 Prozesse

Prozesse ISO 9001 outsourcen – Beschaffungsvereinbarungen im Rahmen der ISO 9001

 

Outsourcing wird von Unternehmen häufig nach der Devise betrieben: „Aus den Augen, aus dem Sinn“. Die Strategie lautet häufig: Auslagern der Probleme durch Ausgliedern der Prozesse, um die eigene Managementaufgabe zu vereinfachen. Leider ist dies ein grundsätzlicher Trugschluss. Die Managementaufgabe wird durch das Ausgliedern nicht einfacher, sondern einfach nur anders! Die Steuerung und Kontrolle des räumlich und kulturell häufig weit entfernten Lieferanten kann sehr anspruchsvoll sein. Wenn nun das Ausgliedern eines Prozesses erschwerend nur als „technischer Akt“ begriffen wird, dann liegt der Erfolg der Maßnahme meist in größerer Entfernung als der ausgegliederte Wertschöpfungsanteil. Wie bei allen Beziehungen spielt bei ausgegliederten Prozessen auf Grund von Komplexität und Risiko zum Beispiel die Fairness und das gegenseitige Vertrauen eine große Rolle.

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Motivation für die Ausgliederung von Prozessen

In der Praxis gibt es verschiedene Gründe, warum Tätigkeiten ausgegliedert werden. Die Anstöße dafür sind ebenso unterschiedlich. Im Prinzip können nachfolgend genannte Beweggründe unterschieden werden, warum ein Unternehmen überhaupt mit diesem Gedanken spielt:

  1. Mangelnde Technologiekompetenz
  2. Hoher Kostendruck
  3. Qualitätsmängel
  4. Ungeeignete Infrastruktur
  5. Fehlende Kapazität
  6. Andere strategische Ausrichtung
  7. Gefährliche Haftungsrisiken

In der DIN EN ISO 9001, Abschnitt 4.1 Allgemeine Anforderungen, heißt es:

„Wenn sich eine Organisation dafür entscheidet, einen Prozess auszugliedern, der die Produktkonformität mit den Anforderungen beeinflusst, muss die Organisation die Lenkung derartiger Prozesse sicherstellen. Die Lenkung derartiger ausgegliederter Prozesse muss im Qualitätsmanagementsystem erkennbar sein.“

Video: Was ist ein Prozess?

Video: Die Prozesslandkarte


Diesen Aufwand müssen Sie bei der Lenkung ausgegliederter Prozesse betreiben

Art und Umfang der Lenkung eines ausgegliederten Prozesses hängt aus Sicht der ISO 9001 von folgenden Faktoren ab:

a) Vom potenziellen Einfluss des ausgegliederten Prozesses auf die Fähigkeit der Organisation Produkte, die die Anforderungen erfüllen, zu liefern;
b) Vom Grad, in dem die Lenkung des Prozesses aufgeteilt wird;
c) Von der Fähigkeit, die notwendige Lenkung durch die Anwendung von 7.4 zu erreichen.

Interpretation zu a – Ein wesentlicher Faktor ist hier der Einfluss der ausgegliederten Aktivitäten auf die Wertschöpfung, wie z.B.:

Deren Umfang
Die Erstellung einer einzelnen Zeichnung ist weniger umfangreich als die komplette Entwicklung eines Produktes.

Das Risiko der Tätigkeiten
Liefert der Unterauftragnehmer direkt an den Kunden, oder werden die Teile im eigenen Unternehmen vorher noch geprüft?

Deren Art
Wie wirken sich die Lieferumfänge im Problemfall auf die Kundenzufriedenheit aus?

Interpretation zu b – Für dieses Kriterium sind die Faktoren der Verantwortlichkeit, Kompetenz und Zugriffsmöglichkeit entscheidend:

  • Wie ist die Verantwortung (auch im rechtlichen Sinn!) zwischen Kunde und Lieferant aufgeteilt. Achtung! Für die Erfüllung aller Kundenanforderungen und gesetzlichen und behördlichen Anforderungen bleibt die Organisation lt. DIN EN ISO 9001 immer in der (Mit-)Verantwortung.
  • Falls die ausgliedernde Organisation nicht die Technologiekompetenz besitzt, kann sich die Lenkung des Prozesses nicht auf diese Umfänge erstrecken.
  • Bei entsprechender räumlicher Entfernung, muss die Lenkung vor Ort mit Vorgabedokumenten und ggf. Stichproben (Besuche) funktionieren.

Interpretation zu c – Da das Normkapitel 7.4. bereits wirksame Methoden und Maßnahmen zur Organisation bereit stellt, sind diese zur Lenkung ausgegliederter Prozesse ggf. hinreichend, durch

  • eine sorgfältige Auswahl und Bewertung der Leistungserbringer.
  • entsprechend vollständige und aussagefähige Beschaffungsangaben (Anforderungen an die Genehmigung von Produkten, Verfahren, Prozessen und Ausrüstung).
  • wirksame Prüfungen oder sonstigen Tätigkeiten beim Wareneingang oder Verifizierungstätigkeiten beim Lieferanten vor Ort (Lieferantenaudits).

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Diese gesetzlichen Regelungen zu ausgegliederten Prozessen müssen Sie beachten

Entscheidend ist aus rechtlicher Sicht, welche Art von Vertrag vorliegt. Danach werden zum einen die vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten der Vertragsparteien festgelegt. Zum anderen ist dies entscheidend für die Frage des Schadenersatzes auf Grund von Pflichtverletzungen des Lieferanten, für die subjektiven Haftungsvoraussetzungen, den Haftungsumfang, die Haftungsgrenzen und für die Beweislast. Wichtig ist dies auch für den Erhalt von Rechten, etwa durch Rüge eines Mangels oder Schadens. Die Unterschiede, exemplarisch im Vergleich der beiden Vertragstypen Dienstvertrag und Werkvertrag dargestellt, sind dabei frappierend:

Beim Dienstvertrag
verpflichtet sich eine Partei, z.B. der Auftragnehmer zur Erbringung einer persönlich erbrachten Leistung für eine andere Partei, dem Auftraggeber. Der Auftraggeber ist zur Zahlung einer vereinbarten Vergütung verpflichtet. Der Auftragnehmer schuldet, hier als der Leistungsverpflichtete, nur ein „Tätigwerden“, also die zur Verfügungsstellung seiner Arbeitskraft. Die andere Partei trägt somit das volle Risiko, wenn die Leistungserbringung des Verpflichteten nicht den erhofften Erfolg bringt und schuldet trotzdem dem Verpflichteten die volle vereinbarte Vergütung.

Beim Werkvertrag
schuldet ein Unternehmer (dieser entspricht dem Verkäufer im Kaufvertrag) einem Auftraggeber ein „bestimmtes“ Werk, ein vereinbartes Arbeitsergebnis, eine (vereinbarte) Wertschöpfung.

Dies kann sein,

  • die Anfertigung/Herstellung einer Sache (Produkt),
  • die Reparatur einer Sache (Service),
  • die Durchführung einer Untersuchung (Gutachten),
  • die Erstellung eines Computerprogramms und vieles mehr.

Hier steht im Vordergrund, dass der Unternehmer dem Besteller einen bestimmten Erfolg schuldet (herbeiführen soll). Der Besteller (vergleichbar mit dem Käufer im Kaufvertrag) schuldet die vereinbarte Bezahlung und die ordnungsgemäße Abnahme des Werks.


So lenken Sie ausgeglichene Prozesse mittels QSV

Eine Qualitätssicherungsvereinbarung (QSV) ist die Vereinbarung einer Anzahl von qualitätssichernden Maßnahmen, um ein klares Abstecken von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten zwischen Lieferant und Besteller festzulegen mit dem Ziel, das Entstehen von Fehlern zu verhindern sowie die Annahme von Lieferungen mit optimiertem Prüfaufwand zu ermöglichen. Die QSV nimmt dabei folgende Aufgaben wahr:

  • Definition von fehlervermeidenden Aktivitäten des Lieferanten,
  • Definition von qualifizierten Prüfungen durch den Lieferanten bzw. Besteller,
  • Festlegung von Maßnahmen/Aktionen im Fehlerfall,
  • Festlegung, für welche Produkte die Regelungen gelten sollen,
  • Vorgaben zum QM-System, das angewendet werden soll,
  • Verfahren zur Prozessabsicherung (Nachweis der Prozessfähigkeit),
  • Maßnahmen zur Kennzeichnung/Rückverfolgbarkeit der Produkte bzw. Leistungen,
  • Art und Umfang der Dokumentation und deren Aufbewahrungszeiten,
  • Einzelheiten zum Recht der Einsichtnahme (Audit) des Bestellers,
  • Geheimhaltungsklauseln,
  • Anzuwendende Normen, Richtlinien, Sicherheitsanforderungen,
  • Einbindung und Qualifizierung von Unterlieferanten,
  • Für jeden Einzelfall relevante weitere Kriterien.

Reinhold Kaim (QM-Experte)

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