QM Qualitätsmanagement ISO 9001 Prozesse

Die richtige Planung Ihres QM Systems gem. ISO 9001 – So werden aus Chancen keine Risiken – Teil 4 unserer Serie zur ISO/TS 9002

Planung ISO 9001 - Risiken und Chancen_Banner

In einem bekannten Forum zum Qualitätsmanagement fand eine angeregte Diskussion zum Thema „risikobasierter Ansatz“ statt. Ein Teilnehmer hatte seine Resignation wie folgt zum Ausdruck gebracht: „Tatsache ist zumindest mal: die Norm gibt nix konkretes her – wäre ja auch echt mal was Neues gewesen … Dann wird’s wohl auf das Übliche hinauslaufen: die persönliche Einschätzung des Auditors spielt eine gewichtige Rolle.“ Diese Diskussion fand im April 2016 statt. Man könnte meinen, die ISO-Verantwortlichen für die ISO 9001 haben den Kommentar gelesen, denn im November 2016 wurde die ISO/TS 9002 veröffentlicht, die auch für den Abschnitt 6 „Planung“ und speziell für den Abschnitt 6.1 „Maßnahmen zum Umgang mit Risiken und Chancen“ sehr konkrete Ideen und in diesem Zusammenhang sogar Methoden vorschlägt, die sicherlich auch einem Auditor eine Orientierung bieten können. Natürlich sind die Hinweise der ISO/TS 9002 nicht auf den Abschnitt 6.1 begrenzt. Auch die Hinweise zu 6.2  „Qualitätsziele und Planung zu deren Erreichung“ sowie 6.3 „Planung von Änderungen“ geben dem Anwender der Norm eine Orientierung. In diesem Beitrag möchten wir auf diese einzelnen Punkte weiter eingehen und uns ansehen, wie uns der Leitfaden ISO/TS 9002 bei der Umsetzung der ISO 9001 unterstützt.

Weitere Beiträge aus unserer Serie zur ISO/TS 9002:

Teil 1: Die ISO 9002 ist zurück – Die neue ISO/TS 9002:2016 dient Ihnen als Leitfaden zur Anwendung der ISO 9001
Teil 2: So setzen Sie die Anforderungen der ISO 9001 an externe und interne Themen sowie interessierte Parteien um
Teil 3: Führung und Verpflichtung – So erfüllen Sie die Anforderungen der ISO 9001 an die oberste Leitung
Teil 4: Die richtige Planung Ihres QM Systems gem. ISO 9001 – So werden aus Chancen keine Risiken
Teil 5: Unterstützungsprozesse – So setzen Sie die ISO 9001 Anforderungen aus dem Abschnitt „Unterstützung“ um
Teil 6: Zur Ermittlung von Kundenanforderungen verlangt die ISO 9001 eine erfolgreiche Kommunikation mit dem Kunden
Teil 7: So erfüllen Sie die Forderungen der ISO 9001 für einen erfolgreichen Entwicklungsprozess

Teil 8: Steuerung von extern bereitgestellten Prozessen – Dies sind die Anforderungen der ISO 9001
Teil 9: So setzen Sie die Anforderungen der ISO 9001 zur Produktion und Dienstleistungserbringung um
Teil 10: So gelingt Ihnen die Produktfreigabe und die Steuerung nichtkonformer Ergebnisse gem. ISO 9001
Teil 11: So gelingt Ihnen die Überwachung und Messung von QM Kennzahlen gem. ISO 9001
Teil 12: So setzen Sie die Anforderungen der ISO 9001 an interne Audits und die Managementbewertung um
Teil 13: Wir zeigen, wie Sie mit dem KVP Prozess die fortlaufende Verbesserung in Ihrem QM System gewährleisten


Die ISO/TS 9002 rät uns, Risiken und Chancen bereits bei der Qualitätsmanagement Planung zu ermitteln

Die ISO/TS 9002 verdeutlicht in der Einleitung zum Abschnitt 6.1 die Intention, sicherzustellen, dass die Organisation bei der Planung der Prozesse des Qualitätsmanagementsystems ihre Risiken und Chancen ermittelt und Maßnahmen zu deren Bewältigung plant. Die Ziele der ISO 9001 sind:

  • die Vermeidung von Nichtkonformitäten, einschließlich fehlerhafter Prozessergebnisse und
  • die Ermittlung von Möglichkeiten, um die Kundenzufriedenheit zu erhöhen sowie die eigenen Qualitätsziele zu erreichen.

Da ein Risiko in der Norm als die positive oder negative Auswirkung von Ungewissheiten definiert ist, verlangt die ISO 9001 im Prinzip mit dem risikobasierten Denken die „Wegarbeitung des Zweifels“. Bei der Ermittlung der Risiken und Chancen für das Qualitätsmanagementsystem sind die externen und internen Themen sowie die Anforderungen der relevanten interessierten Parteien zu berücksichtigen.


Unser Tipp
Ausbildung:
In der Ausbildung Basiswissen Qualitätsmanagement ISO 9001 erlangen Sie fundierte Kenntnisse zu den Anforderungen der ISO 9001 und deren Umsetzung im Rahmen eines Qualitätsmanagementsystems.


Die ISO/TS 9002 zeigt – durch die Umsetzung der ISO 9001 Anforderungen vermeiden Sie, dass Chancen zu Risiken werden

Mit dem nachfolgenden Statement weist uns die ISO/TS 9002 eindringlich darauf hin, dass nicht genutzte Chancen über kurz oder lang ein Risiko für eine Organisation darstellen: „Bei der Prüfung von Chancen sollte die Organisation die potenziellen Risiken für das Qualitätsmanagementsystem, die damit verbunden sind, ermitteln und bewerten. Die Ergebnisse, d.h. die Konsequenzen der Nutzung bzw. Nicht-Nutzung dieser Chancen sollten bei der Entscheidung über deren Umsetzung herangezogen werden.“ Auch hier wird die nun vorhandene Gesamtperspektive der neuen ISO 9001 Revision 2015 deutlich. Der Kontext der Organisation ist permanenten  Veränderungen unterworfen. Unternehmen, die ihre Chancen nicht nutzen, werden zwangsläufig schlechter, da die Zielerreichung mit Prozessen, die den aktuellen Kontext und die Anforderungen der interessierten Parteien ignorieren, schwieriger wird.

Video: Aufgaben des Qualitätsmanagementbeauftragten

Video: High Level Structure ISO 9001


Die ISO/TS 9002 empfiehlt uns verschiedene Methoden zum Umgang mit Risiken und Chancen gem. ISO 9001

Um zu gewährleisten, dass das Qualitätsmanagementsystem seine beabsichtigten Ziele erfüllt und Unerwünschte Auswirkungen verhindert werden, fordert die ISO 9001 in Abschnitt 6.1 Maßnahmen zum Umgang mit Risiken und Chancen, dass bei Planungen für das QM System externe und interne Themen sowie die Anforderungen interessierter Parteien berücksichtigt und Risiken sowie Chancen ermittelt werden müssen. Damit uns die Umsetzung dieser ISO 9001 Anforderungen gelingt, empfiehlt uns die ISO/TS 9002 einige Methoden, die wir Ihnen in der nachfolgenden Tabelle vorstellen. Bei der Auswahl der Methoden sollte berücksichtigt werden, dass sich die getroffenen Maßnahmen auf die potenziellen Auswirkungen von Risiken und Chancen auf die Konformität von Produkten und Dienstleistungen oder auf die Kundenzufriedenheit stützen. Die Wirksamkeit der Maßnahmen ist nur gegeben, wenn diese in das Qualitätsmanagementsystem und seine Prozesse einbezogen werden. Hat zum Beispiel eine Organisation nur einen einzigen Lieferanten für einen kritischen Rohstoff, dann sollte sie erwägen, in die Qualifikation eines zusätzlichen Lieferanten zu investieren.

Empfehlungen der ISO/TS 9002Erläuterungen und Hinweise für die Auswahl der Methoden
SWOT-AnalyseDie SWOT-Analyse (engl. Akronym für Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und Threats (Bedrohungen)) ist ein Instrument der strategischen Planung.
PESTLE- bzw. PESTEL-AnalyseDie PESTEL-Analyse (engl. Akronym für Political, Economical, Social, Technological, Environmental und Legal) ist eine Methodik zur strategischen Betrachtung des Umfelds eines Unternehmens.
FMEA-Analyse / FMECA-AnalyseDie FMEA Methode ist eine entwicklungs- und planungsbegleitende System- und Risikoanalyse, um potenzielle Risiken in Systemen, Produkten oder Prozessen zu identifi zieren.
HACCPDas HACCP-Konzept (engl. Akronym für Hazard Analysis and Critical Control Points) ist ein klar strukturiertes und auf präventive Maßnahmen ausgerichtetes Werkzeug. Es dient der Vermeidung von Gefahren im Zusammenhang mit Lebensmitteln.
BrainstormingDas Brainstorming (aus dem Engl. „using the brain to storm a problem“) ist eine bekannte und sehr häufi g verwendete Methode zum Sammeln von Ideen, Gedanken und Anregungen.
SWIFTSWIFT (aus dem Engl. „Structured What If Technique“) ist eine vorausschauende Gefahrenanalysemethode, die ein strukturiertes Brainstorming mit Leitwörtern und Aufforderungen zur Identifi zierung potenzieller Risiken verwendet.
RisikomatrixMittels einer Risikomatrix wird die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Risikos gegenüber dessen Auswirkung tabellarisch zugeordnet, um das Risiko (ggf. mit einer Maßzahl) abzubilden.

Dies sollten Sie bei der Umsetzung der ISO 9001 Qualitätsziele beachten

Qualitätsziele sollten den relevanten Funktionen, Ebenen und Prozessen zugeordnet werden, da nur so eine wirksame Umsetzung der strategischen Ausrichtung der Organisation und ihrer Qualitätspolitik gewährleistet werden kann. Qualitätsziele können z.B. auf operativer Ebene, für die Beschaffungsfunktion oder für den Entwicklungsprozess festgelegt werden. Zur Festlegung von Zielen bietet die ISO/TS 9002 die folgenden Anregungen:

  • hat die Organisation beispielsweise eine Aussage in ihrer Qualitätspolitik, die Erwartungen ihrer Kunden zu übertreffen, dann könnte sie hierzu ein Qualitätsziel definieren (z.B. pünktliche Lieferung);
  • durch die Angabe eines Zeitraums oder einer definierten Menge, die erreicht werden soll, wird das Qualitätsziel messbar (z.B. Performance Levels für eine Dienstleistung);
  • bei der Zielsetzung steht die Relevanz für die Konformität von Produkten und Dienstleistungen und die Verbesserung der Kundenzufriedenheit im Vordergrund (z.B. die Festlegung von Funktionalitäten oder Leistungsanforderungen);
  • wie die ISO 9001 darstellt, müssen Qualitätsziele überwacht und/oder auf Fortschritte bei der Erreichung des Qualitätsziels hin überprüft werden. Dies könnte auf unterschiedliche Weise geschehen (z.B. mit Fortschrittsberichten, Kundenfeedback oder Managementreviews, usw.);
  • Qualitätsziele müssen gegebenenfalls aktualisiert werden, da sich Änderungen auf die Fähigkeit zur Erreichung der Qualitätsziele auswirken können. Gegebenenfalls müssen Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass neue Probleme oder Anforderungen angegangen werden.

Unser Tipp
Gratis E-Learn:
Sie möchten erfahren, was man unter einem Qualitätsmanagementsystem versteht und was die ISO 9001 ist? Dann absolvieren Sie den gratis E-Learning Kurs Qualitätsmanagement ISO 9001 und erfahren Sie alles Wichtige und Wesentliche zu den Qualitätsmanagement Grundlagen und der QM Norm ISO 9001.


Die ISO 9002 Qualitätsziele sollten in der gesamten Organisation und bei Bedarf an interessierte Parteien kommuniziert werden

Dafür bieten sich folgende Möglichkeiten an:

  • Jour Fix-Termine, um relevante Personen über die Qualitätsziele ihrer Tätigkeiten zu informieren;
  • Vereinbarungen mit der Fertigung über erwartete Ausschussreduzierungen;
  • schriftliche Mitteilung an ausgelagerte Dienstleister über deren Qualitätsziele im Zusammenhang mit der termingerechten Erbringung von Dienstleistungen.

Die ISO 9001 konkretisiert nun erstmals, dass eine Planung erforderlich ist, damit eine Organisation ihre Qualitätsziele auch erreichen kann:

  • die konkreten Maßnahmen sind festzulegen, die zur Erreichung der Qualitätsziele durchgeführt werden müssen;
  • es ist sicherzustellen, dass ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden;
  • wer für die Erreichung bestimmter Qualitätsziele verantwortlich ist, muss bestimmt werden (Team, Bereich oder Person);
  • es ist zu entscheiden, wann eine Aktion abgeschlossen werden soll;
  • die Entscheidung, wie die Ergebnisse ausgewertet werden sollen, muss getroffen werden.

Da die Organisation dokumentierte Informationen über die Qualitätsziele vorhalten muss, nennt uns die ISO/TS 9002 Anregungen für Alternativen zur „Papierliste“, wie zum Beispiel: Integration in die Businesspläne, die Methode der Balanced Scorecard, Dashboards (im ERP-System oder MS Excel), Intranetseiten oder Kommunikationstafeln im Betrieb.

Auch bei der Festlegung der ISO 9001 Qualitätsziele gilt – die Ziele müssen smart sein:

Spezifisch und eindeutig
Messbar oder einer Skala zuordenbar
Attraktiv bzw. abgesprochen
Relevant für die (Qualitäts-)Strategie
Terminiert zur Realisierung


Durch Planung von Änderungen lassen sich negative Folgen vermeiden

Die professionelle Planung einer Änderung kann dazu beitragen, negative Folgen wie Nachbesserung an Produkten, Stornierung von Bestellungen oder Verschiebung der Leistungserbringung zu vermeiden. Der Zweck der Planung von Änderungen des Qualitätsmanagementsystems ist es, dessen Integrität und die Fähigkeit der Organisation zu erhalten, dass auch während der Umsetzung von Änderungen weiterhin konforme Produkte und Dienstleistungen entstehen. Ein Unternehmen sollte deshalb Maßnahmen planen, die das Potenzial für negative Auswirkungen der Änderung verringern könnten, wie z.B.:

  • Durchführung einer ersten Erprobung der Änderung in einem Pilotbereich vor der vollständigen Umsetzung von Maßnahmen.
  • Planung von Rückfalllösungen, falls eine Änderung nicht erfolgreich umgesetzt werden kann.

Die Anwendung des risikobasierten Denkens ist bei der Festlegung der notwendigen Maßnahmen zur Planung von Änderungen des Qualitätsmanagementsystems unverzichtbar. Der Detaillierungsgrad und der Planungsumfang variieren, abhängig von den möglichen Folgen der Änderung. Um Änderungen besser planen zu können, kann ein Unternehmen, wie an dem Beispiel der Implementierung einer neuen ERP-Software dargestellt, präventive Maßnahmen ergreifen: Es könnten Leistungstests und Validierungen geplant werden und sowohl das alte als auch das neue System könnten für eine begrenzte Zeit parallel betrieben werden, um sicherzustellen, dass das neue System wie vorgesehen funktioniert, bevor es vollständig übernommen wird.

Und nun wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei der Umsetzung der ISO 9001,
Ihr Reinhold Kaim


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