Lebensmittelsicherheit, HACCP, IFS, BRC & FSSC

Der Leitfaden zu PRP und HACCP – wie flexibel sind „flexible Regelungen“?

Leitfaden zu PRP und HACCP - flexible Regelungen - Blogbild-BannerIn einem früheren Beitrag zum EU Leitfaden zu PRP und HACCP haben wir Ihnen den neuen EU Leitfaden zu Präventivmaßnahmen (Hygienemanagement) und HACCP vorgestellt. Die Leitlinie der EU zu Hygiene (PRP) und HACCP enthält auch einen Anhang III zu „Flexible Regelungen für bestimmte Lebensmittelbetriebe gemäß den EU-Rechtsvorschriften“. Wer jetzt aber glaubt, dass kleine Betriebe, die mit Lebensmitteln arbeiten, keine Dokumentation zum HACCP System brauchen, der hat sich geirrt. Im Gegenteil: Wenn früher die Lebensmittelüberwachung zum Beispiel für einen Kiosk-Betreiber lediglich ein paar Aufzeichnungen gefordert hat, gibt die Leitlinie ein wesentlich umfangreicheres Dokumentationssystem vor. Für welche Unternehmen die flexiblen Regelungen gelten und was hinsichtlich der PRPs vereinfacht werden kann, lesen Sie in diesem Beitrag.

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Für welche Unternehmen gelten die flexiblen Regelungen des EU Leitfadens?

Auf die Frage, wer die Flexibilität in Anspruch nehmen kann, gibt es folgende Erläuterungen:

1. Die PRPs gelten für alle Unternehmen ohne Ausnahme entsprechend der Vorgaben der Europäischen Hygiene-Verordnung VO
‏     (EG) 852/2004 Anhang I und II
2. Unternehmen der Primärstufe (landwirtschaftliche Erzeugung) müssen allgemeinere Vorgaben umsetzen als Betriebe, die
‏     Lebensmittel herstellen.
3. Für folgende Betriebe können vereinfachte Anforderungen in Bezug auf die PRPs umgesetzt werden:

  • ortsveränderliche und/oder nicht ständige Betriebstätten, z.B. Marktstände;
  • Betriebsstätten in privaten Wohngebäuden, z.B. Herstellung von Marmelade in eigener Küche für den Weihnachtsmarkt;
  • Verkaufsautomaten;
  • Bei direkter Abgabe kleiner Mengen von Primärerzeugnissen an den Verbraucher oder lokale Einzelhändler, z. B. Eier von eigenen Hühnern im Hofverkauf;
  • Abgabe kleiner Mengen Fleisch von Schlachtungen im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb an den Verbraucher;
  • Einzelhandelsunternehmen.

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Video: Wie oft muss ein HACCP Konzept verifiziert werden?


Was kann mit dem Leitfaden zu PRP und HACCP vereinfacht werden?

Das wichtigste gleich vorweg: Die genannten Unternehmen müssen keine eigene Dokumentation der Vorgaben zu den PRPs aufweisen. Sie können auf „allgemeine sektorspezifische Leitlinien“ zurückgreifen. Wenn es also von Verbänden, z.B. HDE (Handelsverband Deutschland) Leitlinien gibt, so können sich die Mitglieder darauf berufen und benötigen keine eigene Dokumentation mehr. Was allerdings immer benötigt wird, sind Aufzeichnungen zu Kontrollen und Messungen, wie:

  • Wareneingangskontrollen;
  • Temperaturkontrollen;
  • Visuelle Kontrollen, z.B. der Reinigung.

Der Leitfaden zu PRP und HACCP gibt hierfür einige Beispiele, welche Vereinfachungen auch hier vorgenommen werden können:

  • Bei vorverpackten Lebensmitteln im Einzelhandel braucht es bei der Wareneingangskontrolle nur visuelle und Temperaturkontrollen zu geben, keine sonstigen Probenahmen und Untersuchungen.
  • Im Einzelhandel brauchen Temperaturen nur an den in Kühlgeräten vorhandenen Thermometern abgelesen werden. Es müssen keine automatischen Aufzeichnungs- und Warninstrumente eingesetzt werden.
  • In handwerklichen Betrieben, z. B. kleinen Fleischereien, können Reinigungstätigkeiten an „küchentechnische Hygienevorschriften angelehnt“ sein.
  • Es müssen nur dann Trinkwasseranalysen vorliegen, wenn eine „betriebseigene Wasserquelle“, also ein eigener Brunnen, und kein öffentliches Trinkwasser verwendet wird.

In vielen der genannten Betriebe können unterschiedliche Vereinfachungen ausreichen. Sie sollten diese jedoch mit Ihrer Lebensmittelüberwachung abstimmen. Im Zweifelsfall sind Sie für die Umsetzung verantwortlich und müssen z. B. im Produkthaftungsfall beweisen, dass Sie ausreichend sorgfältig gearbeitet haben und die gesetzlichen Forderungen eingehalten haben.

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Maßgebliche Kriterien für flexible Regelungen nach dem Leitfaden zu PRP und HACCP

Mit Hinweis auf die VO (EG) 852/2004 erläutert die Leitlinie noch einmal, dass eine HACCP-Dokumentation, wie sie von größeren Betrieben geleistet werden kann, für kleine Unternehmen nicht umsetzbar ist. In diesen Fällen kann eine gute Hygienepraxis zum Beispiel die Festlegung und Steuerung von CCPs ersetzen. Die Erstellung von Dokumenten und Aufzeichnungen muss der Art und Größe eines Betriebes angemessen sein. Beide Faktoren sollen in die Risikobewertung einfließen, um festzulegen, wieviel Dokumentation und Aufzeichnungen notwendig sind. Hierbei kommt es auf die HACCP Gefahrenanalyse an, aus der beide Faktoren hervorgehen sollen.

Flexible Regelungen zur HACCP-Dokumentation

Flexible Möglichkeiten

Keine Verringerung möglich

Lagerung vorverpackter LebensmittelVerarbeitung, Verpackung von Lebensmitteln
Reduzierung / Ausschaltung von Gefahren
durch abschließende Stufe, z.B. Erhitzung
Keine abschließende Reduzierung, z.B.
„Ready to Eat-Produkte“
Pflanzliche LebensmittelTierische Lebensmittel
Rohwaren / Zutaten mit geringem RisikoRohwaren / Zutaten mit speziellen Gefahren
Keine speziellen Lagerbedingungen notwendigSpezielle Bedingungen, z.B. Temperatur,
während Lagerung und Handhabung notwendig

Die Tabelle zählt Beispiele auf. Im Einzelfall muss immer entsprechend der Gefahrenanalyse entschieden werden.


Welchen Einfluss hat die Größe des Unternehmens auf die flexiblen Regelungen?

Die Größe eines Unternehmens wird hier bemessen nach Produktionsvolumen bzw. Durchsatz, nicht nach Standortgröße oder Mitarbeiterzahl. Es kann durchaus sein, dass ein Betrieb mit wenigen Mitarbeitern auf kleiner Fläche eine sehr große Menge an Produkteinheiten produziert. In diesem Fall gelten flexible Regelungen nicht. Hier steht der Gedanke dahinter, dass bei kleinen Abgabemengen nur wenige Verbraucher durch die Produkte geschädigt werden können. Es wird allerdings nicht vorgegeben, wie groß die Menge eines in Verkehr gebrachten Produktes sein muss, damit ein vollständig dokumentiertes HACCP-System notwendig wird. Im Produkthaftungsfall muss der Betrieb beweisen, dass seine Dokumentation ausreicht. Dies sollte mit der Lebensmittelüberwachung abgestimmt werden. Der Leitfaden zu PRP und HACCP weist noch einmal darauf hin, dass bei Einzelhandelsunternehmen speziell geprüft werden muss, in wie weit die Kriterien Art und Größe maßgeblich sind.


Wie sieht ein vereinfachtes HACCP-System aus?Leitfaden zu PRP und HACCP - 7 Grundsätze des Codex Alimentarius

Entsprechend der Anforderung der EU-Hygiene-Verordnung sollen mindestens die sieben Grundsätze des Codex Alimentarius umgesetzt werden:

Allerdings können bei den genannten Unternehmen (je nach Art und Größe) vereinfachte Formen dieser Vorgaben umgesetzt werden. Voraussetzung hierfür ist es, dass mit diesen Vereinfachungen das gleiche Ziel erreicht wird. Zum Beispiel müssen nicht in jedem Fall die CCPs schriftlich hergeleitet werden. Es würde ausreichen, wenn zum Beispiel Erhitzungstemperaturen regelmäßig überwacht (und aufgezeichnet) werden und damit unter Kontrolle sind. Auch wenn keine CCPs festgelegt wurden, muss nicht schriftlich nachgewiesen werden, dass es keine CCPs gibt. Außerdem ist es möglich, ähnliche Produkte oder Prozesse zusammenzufassen, um die CCPs zu bestimmen und zu steuern.


Nutzung von Leitlinien

Wenn von Verbänden zu Hygiene und HACCP Leitlinien vorliegen, so werden diese als Unterstützung der Verantwortlichen des Betriebes zur Umsetzung und zur Dokumentation des HACCP-Konzeptes gewertet. Solch eine Leitlinie soll das „Zusammenspiel von PRPs und HACCP-gestützten Verfahren im Rahmen eines Managementsystems für Lebensmittelsicherheit verdeutlichen“. Dieser Leitfaden  enthält auch oft Formblätter für Aufzeichnungen zu speziellen Messungen oder Prüfungen.

Zum Beispiel in der „Leitlinie für eine Gute Hygiene- und HACCP-Praxis sowie zur Durchführung mikrobiologischer Eigenkontrollen bei der handwerklichen Herstellung von nicht vorverpacktem Speiseeis, Herausgeber Uniteis e.V.,“ gibt es neben Gefahrenanalysen für die Speiseeisherstellung und die Lenkungsvorgaben der CCPs und CPs auch Checklisten für Betriebsbegehungen, Wareneingangskontrollen, Erhitzungstemperaturmessungen, Reinigung und Desinfektion, Personalhygiene, Schulungen, Schädlingsbekämpfung, Kühltemperaturmessungen und Liste des HACCP-Teams. Diese Vorgaben können von den Unternehmen, in denen flexible Regelungen angewendet werden können, übernommen werden, ohne dass eine eigene HACCP-Dokumentation notwendig wäre. Ähnliche Leitlinien sind zum Beispiel:

  • Leitlinie Hygiene im Backbetrieb / Produktsicherheit – Verbraucherschutz – HACCP, Verband Deutscher Großbäckereien e.V.,
  • Leitlinie für eine gute Lebensmittelhygienepraxis beim Lebensmitteltransport, Transfrigoroute Deutschland (TD) e.V.,
  • Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V,
  • Die Leitlinie für eine Gute Lebensmittelhygienepraxis in der Kindertagespflege, Bundesverband für Kindertagespflege e. V.,
  • Hygiene-Leitlinie für die Gastronomie, INTERHOGA Gesellschaft zur Förderung des dt. Hotel- & Gaststättengewerbes  mbH,
  • Leitlinie für eine gute Hygienepraxis in handwerklichen Fleischereien; Hygienepraxis – Eigenkontrolle – Dokumentation; Deutscher Fleischerverband e.V.,
  • Hygiene-Leitlinie für Großküchen, Küchen des Gesundheitswesens und vergleichbare Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung, Ministerium Frauen und Gesundheit, Österreich.

Auch wenn es eine Fülle an guten Leitlinien von Verbänden gibt, entbindet dies die Unternehmen nicht der Verantwortung für die Umsetzung des HACCP-Systems. Ganz ohne eigene Dokumentation geht es in den meisten Fällen nicht. Die Vorgaben der Leitlinien bezüglich der PRPs müssen natürlich in der Praxis umgesetzt werden. Außerdem müssen in jedem Fall ausreichende Aufzeichnungen vorhanden sein, anhand derer ein sorgfältiges und vor allem für den Verbraucher sicheres Arbeiten nachgewiesen werden kann.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.
Ihre Ute Wedding

Weitere spannende Artikel zum Thema HACCP:

(1) Die HACCP Gefahrenanalyse – das Herzstück des HACCP Systems
(2) Begriffe für das Hygienemanagement und HACCP System 
(3) Neuer Leitfaden der EU zu Hygiene und HACCP

[1]* BEKANNTMACHUNG DER KOMMISSION zur Umsetzung von Managementsystemen für Lebensmittelsicherheit unter Berücksichtigung von PRPs und auf die HACCP-Grundsätze gestützten Verfahren einschließlich Vereinfachung und Flexibilisierung bei der Umsetzung in bestimmten Lebensmittelunternehmen (2016/C 278/01).


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