Betriebsanleitungen erstellen und wichtige Gebrauchshinweise liefern!
Mit „Erklärungsnot an der Ofentür“ betitelte Spiegel Online seinen Bericht zum Thema „missratene Gebrauchsanleitungen“. Nachvollziehbar wird das Ganze an folgendem Textschnipsel, der einer Bedienungsanleitung eines Backofens entnommen wurde: „Die den Innenraum des Backofens beleuchtende Lampe brennt so lange, bis der Backofen eingeschaltet bleibt“. Vielleicht ein Fauxpas der durch Übersetzungs- oder Rechtschreibfehler in den Text gelangen konnte. In einem solchen Fall liegt die Toleranzschwelle vieler Kunden erfahrungsgemäß relativ hoch. Doch wie werden Kunden (oder im Eskalationsfall Gerichte) reagieren, falls eine misslungene Betriebsanleitung durch Fehlbedienung zu Sach- oder Personenschäden führt? Der Hersteller einer Sicherheitsabschleppstange wurde z.B. verurteilt, da die mitgelieferten Gebrauchshinweise zur Abschleppstange nicht deutlich darauf hingewiesen hatten, dass eine Bremsung stets vom gezogenen Fahrzeug ausgehen muss, da sonst die Gefahr eines Bruches der Abschleppstange und damit eines Auffahrunfalls besteht. Folgender Text soll Ihnen einen Überblick über Anforderungen an Betriebsanleitungen verschaffen.
BETRIEBSANLEITUNG IM RECHTLICHEN (HAFTUNGS-) KONTEXT
Nach deutschem Recht hat der Hersteller eines Produkts „für eine vollständige und verständliche Anleitung des Benutzers zur sachgemäßen und gefahrlosen Inbetriebnahme, Verwendung und Handhabung seiner Produkte zur sorgen.“ Unterlässt er dies, haftet er gemäß § 823 Bürgerliches Gesetzbuch wegen Verletzung der so genannten „Instruktionspflicht“. Da nach Einschätzung der Gerichte die Anleitungen zu einem Produkt ein wesentlicher Produktbestandteil sind, werten die Gerichte: Instruktionsmangel = Produktmangel. Doch dies ist nicht das einzige Gesetz, das es ermöglicht Hersteller zur Haftung heranzuziehen, wie z.B. ein Blick in das Geräteund Produktsicherheitsgesetz GPSG (§4 Inverkehrbringen und Ausstellen) hinsichtlich der Gebrauchs- und Bedienungsanleitung zeigt. Die Tabelle gibt Ihnen einen Überblick über einige wichtige Richtlinien die für die Erstellung technischer Dokumentationen relevant sind.
MINDESTANFORDERUNGEN AN DIE TECHNISCHE DOKUMENTATION
Benutzerinformationen, wie Betriebsanleitungen, müssen nach deutschem Recht beispielweise die folgenden strukturellen Mindestanforderungen erfüllen:
1. Eindeutige, verständliche und vollständige Aussagen zum bestimmungsgemäßen Gebrauch, dessen Grenzen. Desweiteren zu Bedingungen der technischen Anwendungen sowie für den Einzelfall relevanten benutzerspezifischen Aspekten. 2. Hinweise und Warnungen vor Gefahren, die mit dem normalen oder dem bestimmungswidrigen Gebrauch verbunden sind, sowie das sich daraus ergebende zusätzliche Risiko für Benutzer oder Dritte. 3. Hinweise und Anleitungen zur Pflege, Wartung, Instandhaltung, Inspektion, Instandsetzung und Reparatur.
KONKRETER NUTZEN VON BETRIEBSANLEITUNGEN
Die Anforderungen an die technischen Dokumente sind sehr spezifisch und gleichzeitig auch dynamisch. Zu deren Erstellung ist eine flexible Planung und Koordination aller Ressourcen und Schnittstellen erforderlich. Die Konkretisierung des angestrebten Nutzens, über die gesetzlichen Anforderungen hinaus, hilft letztlich dabei, die redaktionellen Anforderungen besser zu erfüllen. Folgende Ziele sollen mit Hilfe der Betriebsanleitung unterstützt werden:
– Nutzen für den Hersteller (über die Senkung der Produkthaftpflichtgefahr hinaus)
– Steigerung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung durch den Einsatz der technischen Dokumentation als Marketinginstrument.
– Kostensenkung durch bessere Unterstützung von Service und Vertrieb, indem Reklamationen und Anfragen an die Hotline reduziert werden.
– Nutzen für den Kunden
(über die Fehlervermeidung durch sichere Handhabung hinaus)
– Niedrigere Anwendungshemmschwelle der Benutzer.
– Kostensenkung durch geringere Aus und Weiterbildungskosten, geringere Einarbeitungskosten, geringere Einarbeitungszeit und weniger Ausfallzeiten.
GESTALTUNG UND GLIEDERUNG EINER BETRIEBSANLEITUNG
Die Gestaltung einer Anleitung ist eng verbunden mit dem Aufbau und der Struktur des Produkts. In folgenden Dokumenten finden Sie hierzu konkrete Vorgaben:
– Inhalt > z. B. DIN EN 62079
– Inhaltstruktur > z. B. DIN Fachbericht 146)
– Begrifflichkeiten > z. B. DIN 45020 Terminologie
– Sicherheitshinweise > z.B. DIN EN ISO 12100 Ungeachtet der Art des Produktes sollten Betriebsanleitungen wie folgt gegliedert sein:
– Leistungsbeschreibung
– Was leistet das Produkt? (Leistungsdaten und -bedingungen)
– Welche Anforderungen erfüllt das Produkt? (beabsichtigter Gebrauch)
– Was kann der Benutzer mit dem Produkt tun und was nicht? (Abmessungen, Gewicht, Fassungsvermögen)
– Produktbeschreibung
– Wie ist die Benutzerschnittstelle aufgebaut? (Bedienelemente, Syste- me zur Benutzerführung, Anzeigen)
– Welche Aktionen führen zu welchen Reaktionen? (Sichtbare und/oder hörbare Anzeigen)
– Welche Bezeichnungen tragen die Einzelteile des Produktes und wozu dienen sie? (Optionale Module, Extras)
– Funktionsbeschreibung
– Wie funktionieren einzelne Abläufe des Produktes? (Grundlegende und sekundäre Funktionen)
– Welche Technologien beinhaltet das Produkt? (Optionale Module und Extras) (Energieverbrauch und bedingungen)
– Tätigkeitsbeschreibung
– Tätigkeiten zur Vorbereitung des
Produkts für den Gebrauch, für den Betrieb, im Fehlerfall und zur Instandhaltung und Reinigung: Was soll der Benutzer in welcher Reihenfolge tun? Wie soll er es tun?
– Die Tätigkeitsbeschreibung gliedert sich sinnvollerweise in: Ziel der Handlung, Beschreibung der Handlung (Schritt für Schritt), Zusammenfassung der Handlung
– Resultat der Handlung
DAS A&O SIND DIE SICHERHEITSHINWEISE
In den produktbezogenen EU-Richtlinien, wie z.B. der Maschinenrichtlinie, wird die Durchführung einer Gefahrenanalyse gefordert. Ziel der Gefahrenanalyse ist es, Gefährdungen durch Produkte (z.B. Maschinen) zu identifizieren, zu bewerten und durch Maßnahmen zu verhindern bzw. zu verringern. Leitsätze zur Durchführung einer Gefahrenanalyse sind in den Normen EN 1050 (Leitsätze zur Risikobeurteilung) und EN 954-1 (Sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen, Teil 1: Allgemeine Gestaltungsleitsätze) festgehalten. Die Warnhinweise, die auf Grund der Risikobeurteilung in die technische Dokumentation einfließen, müssen eindeutig, eindringlich und knapp verfasst werden. Hier gilt die Maxime: So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Die so genannte „Gefahreninstruktion“ muss für alle Produkte gegeben werden, aus deren Nutzung Schaden an „fremden Rechtsgütern“ entstehen kann:
– Der Hersteller muss vor allen Gefahren, Fehlanwendungen und bestimmungswidrigen Benutzungen warnen, die der Anwender nicht ohne weiteres erkennen kann bzw. mit denen er nicht rechnen muss > abhängig vom Anwenderkreis.
– Je laienhafter der Anwenderkreis, umso ausführlicher und eindringlicher muss die Instruktion gestaltet sein.
BEISPIELE FÜR BETRIEBSANLEITUNGEN
Wie eine fertige Anleitung aussehen sollte, finden Sie z.B. unter http://www.foxtyne.com/ Bedienungsanleitungen.htm
Ihr Reinhold Kaim
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