QM Qualitätsmanagement ISO 9001 Prozesse

Die Qualitätsmanagementnorm ISO 9001:2015 hebt den Dienstleistungssektor stärker hervor – dies ist der Unterschied zwischen Produkt und Dienstleistung – Tipps zur Revision ISO 9001 Serie Teil 1

„Für den Produzenten eines Dienstes sind diese Dienstleistungen Waren. Sie haben einen bestimmten Gebrauchswert (eingebildeten oder wirklichen) und einen bestimmten Tauschwert.“ Diese Aussage hat Karl Marx in seinen „Theorien über den Mehrwert“ getroffen. Derartige Theorien, die aus der sozialistisch-kommunistischen Bewegungen entstanden sind, werden bis heute in unterschiedlichsten Gesellschaftsstrukturen und -schichten kontrovers diskutiert. Aufgrund des stetigen Wandels zur Dienstleistungsgesellschaft sind die Diskussionen über den Charakter einer Dienstleistung auch im Qualitätsmanagement angekommen. Das Ziel, eine möglichst hohe Dienstleistungsqualität zu erzeugen, kann nur erreicht werden, wenn der Charakter einer Dienstleistung verstanden wurde. In diesem Beitrag befassen wir uns mit dem Unterschied zwischen einem Produkt und einer Dienstleistung und zeigen, wie die ISO 9001 Revision 2015 die Bedeutung der Dienstleistungserbringung stärker hervorhebt.

Unsere Qualitätsmanagementnorm ISO 9001:2015 Serie mit Tipps und Tricks zur operativen Umsetzung:

Teil 1: Die Qualitätsmanagementnorm ISO 9001:2015 hebt den Dienstleistungssektor stärker hervor – Unterschied zwischen
               Produkt und Dienstleistung
Teil 2: Die neuen Prozessanforderungen der ISO 9001:2015 – so behalten Sie den Überblick und passen die ISO 9001 Prozesse
‏               optimal an
Teil 3: Die ISO 9001:2015 fordert im Normabschnitt 9 die „Bewertung der Leistung“ – wie Sie eine objektive und angemesse
‏               Leistungsbewertung sicherstellen
Teil 4: Messung und Überwachung von Prozessen – mit diesen QM Kennzahlen kommen Sie den Forderungen der ISO 9001:2015
‏               nach
Teil 5: Tätigkeiten nach der Lieferung – so bleiben Sie konform zur ISO 9001:2015

‏               Lesen Sie auch:
‏               ISO 9001:2015 Serie zu den strukturellen und normativen Änderungen


Auch die Dienstleistung ist im weiteren Sinne ein Produkt

Fassen wir den Begriff „Produktion“ entsprechend weit, ist es denkbar, von der „Produktion von Dienstleistungen“ zu sprechen. Im Zuge einer Produktion wird mit gewissen Inputfaktoren so gearbeitet, dass aus ihnen Outputs werden. Im Falle der Produktion sowie der Dienstleistung stehen bestimmte Inputfaktoren als Potenzial zur Verfügung und/oder werden im Prozess verbraucht:

  • menschliche Arbeitsleistung,
  • Betriebsmittel,
  • Werkstoffe,
  • Informationen und
  • Rechte.

Als Output des Kombinations- bzw. Transformationsprozesses entsteht sowohl bei der Produktion als auch bei der Dienstleitung ein Produkt. Ein wichtiger Unterschied liegt jedoch darin begründet, dass es sich in dem Fall der Produktion um ein materielles Produkt handelt, eine Dienstleistung jedoch ein immaterielles Produkt darstellt. Diese Differenzierung wurde von der Qualitätsmanagementnorm ISO 9001:2008 noch als hinreichend empfunden, da auf diese Weise mit dem Begriff „Produkt“ alle Ergebniskategorien einbezogen waren.


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Die Qualitätsmanagementnorm ISO 9001:2015 würdigt die Dienstleistung stärker

Die Sichtweise der Revision 2008 der Qualitätsmanagementnorm berücksichtigt einen sehr wichtigen Faktor jedoch nicht: In vielen Fällen findet eine Dienstleistung an einem materiellen Trägermedium statt. Ein Beispiel hierfür ist die Dienstleistung einer Autoreparatur, die an dem Fahrzeug des Kunden stattfindet. Deshalb müssen Sie klar zwischen der Dienstleistung einerseits und dem Leistungsobjekt andererseits, an dem die Dienstleistung erfolgt, unterscheiden. Neben den bereits aufgezählten „klassischen“ Produktionsfaktoren tritt in Dienstleistungsunternehmen ein zusätzlicher Faktor, der sogenannte „externe Faktor“, auf:

Sachbezogene Dienstleistungen
Bei sachbezogenen Dienstleistungen stellt der Kunde das Dienstleistungsobjekt (z. B. das zu reparierende Fahrzeug) zur Verfügung.

Personenbezogene Dienstleistungen
Im Fall von personenbezogenen Dienstleistungen ist der Kunde bei der Erstellung der Dienstleistung beteiligt. Abhängig vom Grad der Beteiligung kann zwischen einer „passiven Beteiligung“ (physische Präsenz) und einer „aktiven Beteiligung“ (Mitwirkung) unterschieden werden.

Video: Was ist ein Qualitätsmanagementsystem ISO 9001?

Video: Was ist die ISO 9001?


Der Kunde kauft bei der Dienstleistung die „Katze im Sack“

Ein Produkt wird zuerst produziert und dann verkauft. Der Kunde sieht also im Vorfeld, was genau er erwirbt und kann bereits zu diesem Zeitpunkt weitgehend erkennen, ob das materielle Produkt zu seinen Vorstellungen „konform“ ist. Als Unterschied dazu sind Dienstleistungen Leistungsversprechen: Sie werden erst verkauft und dann produziert! Der Kunde kauft also die „Katze im Sack“, da eine Dienstleistung lt. DIN EN ISO 9001:2015 „an der Schnittstelle mit dem Kunden um gesetzt wird“. Dies hat zur Folge, dass die Konformität mit den Kundenanforderungen meistens nicht bestätigt werden kann, bevor die Dienstleistung erbracht worden ist. Diesen Unterschied will  die Revision der Qualitätsmanagementnorm ISO 9001:2015 hervorheben und weist im Anhang A.2 explizit darauf hin, diese Kriterien im Qualitätsmanagement für Dienstleistungen zu berücksichtigen.


Unterschied zwischen Produkt und Dienstleistung in der Qualitätsmanagementnorm – Der spezielle Leistungserstellungsprozess

Der Prozess der Leistungserstellung, d. h. die Kombination der Faktoren, erfolgt in einem Dienstleistungsunternehmen immer in einem zweistufigen Verfahren:

  • Stufe 1: Vorkombination, durch Entwicklung eines Dienstleistungskonzeptes zur Herstellung der Leistungsbereitschaft und
  • Stufe 2: Endkombination, durch die Erbringung der eigentlichen Dienstleistung.

Bei der Vorkombination werden Inputfaktoren herangezogen, um ein Dienstleistungskonzept zu entwickeln. Mit menschlicher Arbeitsleistung und unterstützt durch Betriebsmittel werden

  • Anforderungen der Kunden aufgenommen und analysiert,
  • Dienstleistungsideen gefunden und bewertet
  • sowie Dienstleistungsdesigns entworfen.

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Durch Vorhaltung der erforderlichen Ressourcen wird die Leistungsbereitschaft hergestellt. Der konkrete Leistungsanlass ist an das Auftreten des externen Faktors gekoppelt. Mit diesem externen Faktor und dem Einsatz von zusätzlichen internen Faktoren realisiert der Dienstleister in einer Endkombination die Dienstleistung. So betrifft beispielsweise die Neueröffnung einer Steuerkanzlei mit der Entwicklung der Leistungen für eine bestimmte Gruppe von Mandanten nur die Vorkombination. Erst durch die Anfrage von Kunden (externer Faktor) und die Übernahme von Mandaten wird die Endkombination ausgelöst und die Dienstleistung kann erfolgen. Ein Kunde kann jedoch vorher nicht wissen, wie gut die Steuerkanzlei seine Anforderungen erfüllt.

Leistungsprozess_Dienstleistung


Ein herausfordernder Unterschied zwischen einem Produkt und einer Dienstleistung ist der externe Faktor

Dienstleistungen sind nicht nur aus der Sicht der Kunden speziell, sondern sind auch aus der Sicht des Dienstleisters durch den externen Faktor eine Herausforderung. Die Problematik liegt darin, dass die Mitwirkung eines externen Faktors bei der Erbringung einer Dienstleistung deren Steuerung und Ergebnis mehr oder minder gravierend mitbestimmt. Denken wir beispielsweise an die Durchführung von Seminaren, d. h. Dienstleistungen im Weiterbildungsbereich. Die Mitwirkung des Seminarteilnehmers ist für die Durchführung und für das Ergebnis des Seminars entscheidend. Die Konsequenz daraus ist, dass die Qualität von Seminaren durch jeden Teilnehmer mitbestimmt wird, oder zumindest nicht der autonomen Beeinflussbarkeit des Dozenten unterliegt. Die Folge daraus ist wiederum: Beim Produkt Dienstleistung kann es keine von den externen Faktoren isolierbare, objektivierbare, mit der Qualität materieller Produkte direkt vergleichbare Qualität geben.


Weitere Erschwernisse, die den Unterschied zwischen Produkt und Dienstleistung ausmachen

Neben dem externen Faktor muss sich eine Organisation im Dienstleistungssektor noch auf weitere Erschwernisse gegenüber einem Produzenten einstellen:

  • Aussondern, Rückgabe oder Umtausch von fehlerhaften Dienstleistungen ist nicht möglich, da deren Erzeugung und der
    ‏    Verbrauch zeitlich zusammenfallen (Uno-actu-Prinzip).
  • Dienstleistungen sind typischerweise nicht lagerbar und nicht transportierbar.
  • Dienstleistungen müssen situativ flexibel erbracht werden und sind deshalb schwieriger standardisierbar.

 

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.
Ihr Reinhold Kaim

 


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