Professionelle Überwachung und Messung der Qualität von Dienstleistungen
Was bringt die ISO 9001:2015 für Dienstleister? Diese Überschrift trug kürzlich der Eintrag des Fragestellers in einem QM-Blog. Dies zeigt, dass sich viele Dienstleistungsunternehmen mit der ISO 9001 nicht anfreunden konnten und nach wie vor das ISO 9001-Zertifikat scheuen. Deshalb ist dieses unter Dienstleistern deutlich dünner gesät als unter produzierenden Unternehmen. Mit der Revision der ISO 9001 sollen Hürden verkleinert werden, indem die Begriffe „Produktion“ und „Dienstleistung“ auf die gleiche Stufe gestellt werden. Eine dieser Hürden betraf die Ressourcen zur Überwachung und Messung im Abschnitt 7.6 der ISO 9001:2008. Darin forderte die Norm, dass diese zur Sicherstellung gültiger Ergebnisse anhand von rückführbaren Messnormalen kalibriert und/oder verifiziert werden müssen. Bei vielen Dienstleistungsorganisationen rief diese Anforderung nur ein Stirnrunzeln hervor. Die ISO 9001:2015 ist zu diesem Thema im Abschnitt 7.1.5 für Dienstleister wesentlich besser verständlich formuliert. In diesem Beitrag möchten wir Ihnen die professionelle Überwachung und Messung der Qualität von Dienstleitungen näher bringen.
Darin unterscheiden sich die Überwachung und Messung der Qualität von Dienstleistungen und Produkten
Die Anforderungen der DIN EN ISO 9001:2008 bezogen sich im Prinzip ausschließlich auf technische Ressourcen zur Überwachung und Messung. Messmittel können jedoch technischer oder nichttechnischer Natur sein. Sind im produzierenden Unternehmen vorwiegend technische Messmittel vorzufinden, verwenden Dienstleistungsunternehmen dagegen überwiegend bis ausschließlich nicht-technische Messmittel. Da die Anforderungen der DIN EN ISO 9001:2008 auf diese Messmittel nicht anwendbar sind, führte dies dazu, dass diese Messmittel oftmals nicht als solche erkannt wurden und somit auch nicht überwacht werden konnten. Die DIN EN ISO 9001:2015 wird einem Dienstleistungsunternehmen in diesem Zusammenhang viel besser gerecht, da die Norm die Ressourcen zur Überwachung und Messung nun differenziert betrachtet: Der Abschnitt „7.1.5.1 Allgemeines“ bezieht sich allgemein auf die Bestimmung der Ressourcen zur Überwachung und Messung, um die Konformität von Produkten und Dienstleistungen mit den entsprechenden Anforderungen nachzuweisen. Diese Ressourcen müssen:
- für die entsprechende Überwachung und Messung geeignet sein;
- aufrechterhalten werden, um die fortlaufende Eignung abzusichern.
Der Abschnitt „7.1.5.2 messtechnische Rückführbarkeit“ grenzt nun den technischen Fall ab, dass die Rückführbarkeit eine Anforderung darstellt. Nur in diesem Fall sind nun nach DIN EN ISO 9001:2015 die von der Revision 2008 grundsätzlich geforderten Aktivitäten umzusetzen, wie zum Beispiel:
- Kalibrierung in bestimmten Abständen oder vor der Anwendung;
- Kennzeichnung des Kalibrierstatus;
- Schutz des Messmittels vor Einstellungsänderungen, Beschädigung oder Verschlechterung.
Benutzt eine Dienstleistungsorganisation nun zum Beispiel Checklisten zur Überwachung und Messung des Serviceprozesses, sind diese eindeutig dem Abschnitt 7.1.5.1 zuzuordnen.
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Produkte und Dienstleistungen unterscheiden sich dramatisch
Im Anhang A.2 hilft uns die DIN EN ISO 9001:2015 auf die Sprünge. Dass von dem Versuch der Revision 2008, unter dem Begriff „Produkt“ alle Ergebniskategorien zu subsumieren abgewichen wurde, begründet die Norm mit wichtigen Merkmalen einer Dienstleistung:
- Mindestens ein Teil des Ergebnisses an der Schnittstelle wird mit dem Kunden beziehungsweise an einem Verfügungsobjekt des Kunden erbracht (dies wird als externer Faktor bezeichnet);
- Die Konformität der Dienstleistung mit den Anforderungen kann in vielen Fällen erst nach der Erbringung der Dienstleistung bestätigt werden.
In der Fachliteratur, die sich mit den Besonderheiten von Dienstleistungen beschäftigt, finden wir unter anderem noch weitere wichtige Differenzierungsmerkmale:
- Eine Dienstleistung ist häufig immateriell und nicht physisch greifbar;
- Dienstleistungen sind nicht speicherbar;
- Serviceleistungen werden zur selben Zeit produziert und konsumiert;
- Der durch Menschen erbrachte Leistungsanteil ist in der Regel höher als bei Produkten.
Diese Erkenntnisse helfen dem Dienstleistungsunternehmen, die Anforderungen des Abschnitts „9.1 Überwachung, Messung, Analyse und Bewertung“ im Sinne der Norm und zum Vorteil des eigenen Unternehmens umzusetzen, sodass klar wird
- an welchen Punkten die Dienstleistungskonformität gemessen und überwacht werden soll,
- zu welchen Zeitpunkten welche Arten von Überwachungs- bzw. Messmitteln zum Einsatz kommen sollen und
- auf welche Weise ihre dauerhafte Eignung sichergestellt wird.
Was bedeuten die Begriffe Überwachung und Messung im Zusammenhang mit der Dienstleistungsqualität?
In diesem Beitrag geht es explizit um die Überwachung und Messung der Qualität von Dienstleistungen. Um die Servicequalität zu beurteilen, ist es wichtig zu wissen, was man unter diesen Begriffen überhaupt versteht. Deshalb möchten wir uns die Begriffsdefinitionen im Folgenden näher anschauen.
Überwachung
Kontinuierliche Ermittlung/Sammlung von Ist- Zuständen eines Objektes über einen längeren Zeitraum, mit dem Ziel der Feststellung/Beurteilung, ob vorgegebene Soll-Zustände eingehalten werden. Die Ermittlungen der Ist-Zustände erfolgt dabei in großem Umfang durch Messung.
Messung
Tätigkeiten der Erfassung von quantifizierbaren Ausprägungen von Größenwerten zu einem definierten Zeitpunkt, um festzustellen, ob spezifizierte Vorgaben erfüllt werden.
Das GAP-Modell schafft Orientierung für Dienstleister, um die Dienstleistungsqualität zu beurteilen
Die Voraussetzung für eine effektive Messung und Überwachung der Qualität von Dienstleistungen ist das Verständnis, welche Leistungsaspekte für die Dienstleistungsqualität aus Kundensicht entscheidend sind. Die drei Amerikaner Zeithaml, Berry und Parasuraman entwickelten für diesen Zweck das GAP-Modell, als Methode zur Überwachung und Messung der Servicequalität von Unternehmen. Ausgangsbasis des Modells ist die Idealvorstellung eines Dienstleistungssystems, in dem sich alle Beteiligten, sowohl der Kunde als auch das Unternehmen, perfekt verhalten. Der Kunde kommuniziert klar und eindeutig seine Anforderung und die Dienstleistungsorganisation erkennt diese, leitet die richtigen Maßnahmen ab und setzt diese um. Diese Situation ist allerdings auch bei größter Anstrengung nicht immer erreichbar. Maßgebend sind vielmehr die Situationen, aus denen heraus es zu Missverständnissen und Enttäuschungen kommt, die der Kunde in der Folge als Qualitätsmangel der Dienstleistung oder der Leistungsprozesse wertet. Diese Diskrepanzen zwischen Idealmodell und Realität, werden durch das GAP-Modell eindeutig identifiziert und beschrieben. An diesen Stellen müssen Dienstleistungsorganisation ansetzen und die geeigneten Methoden zur Überwachung und Messung implementieren.
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An diesen GAPs sollten Sie die Dienstleistungsqualität bewerten und überwachen
Die Grafik dieser Seite zeigt sehr anschaulich den Ablauf und die Komponenten der Dienstleistungserbringung aus der Sicht des Dienstleisters. Parallel dazu enthält sie die Kundenperspektive. Im Folgenden werden die eingezeichneten GAPs erläutert und es werden sinnvolle Methoden zur Überwachung und Messung der Dienstleistungsqualität aufgelistet:
GAP 1 = Wahrnehmungslücke:
Diese Lücke entsteht durch eine Diskrepanz zwischen den Erwartungen des Kunden an die Dienstleistung gegenüber den Vorstellungen des erbringenden Unternehmens. Ursächlich hierfür könnte eine mangelhafte Marktforschung oder Kommunikation mit dem Kunden sein. Notwendige Messung und Überwachung:
- Marktforschung;
- Veränderung der Kundenerwartungen.
GAP 2 = Entwicklungslücke:
Die Umsetzung des vorhandenen Verständnisses der Kundenerwartungen in die Arbeitsstandards und Richtlinien der Dienstleistungserbringung erfolgt fehlerhaft, da die falschen Ziele definiert werden. Notwendige Messung und Überwachung:
- Transfer der Kundenerwartung in die Dienstleistungsspezifikation (Vignettentechnik bzw. Service-Blueprinting);
- Validierung neuer Services mit repräsentativen Kunden in Pilotprojekten;
- Durchführung von Service-FMEAs.
GAP 3 = Leistungslücke:
Die in der Realität erbrachte Dienstleistung stimmt nicht mit den unternehmensinternen Vorgaben für den Qualitätsstandard überein. Die Defizite liegen häufig im Prozess- und Personalmanagement oder in der mangelnden Integration des Kunden (externer Faktor). Notwendige Messung und Überwachung:
- Ausbildungsstand des Personals;
- Höflichkeit des Personals;
- Individuelle Aufmerksamkeit und Erscheinungsbild des Personals;
- Interne und externe Kommunikation;
- Zustand der Ausrüstung und der Infrastruktur;
- Erfassung kritischer Ereignisse;
- Fehlersammelkarten;
- Frequenz-Relevanz-Analyse;
- Expertenbeobachtungen, Warentests oder der Einsatz von Testkunden.
GAP 4 = Kommunikationslücke:
Werden Werbeversprechungen durch den tatsächlich geleisteten Service nicht erfüllt, führt dies zu einer Unzufriedenheit des Kunden, in vielen Fällen sogar zu einer Enttäuschung. Notwendige Messung und Überwachung:
- Integrierte Marketingkommunikation.
GAP 5 = Kundenlücke:
Die Kundenlücke ist die Konsequenz aus der vorher entstandenen Unzufriedenheit und kann deshalb auch nur durch die Schließung der GAPs 1-4 beseitigt werden. Der Kunde erhält nicht die Serviceleistung, die er bei Vertragsabschluss erwartet hat. Eine neuerliche Beauftragung der Serviceleistung ist aufgrund der dann herrschenden Situation nicht zu erwarten und auch nicht üblich. Notwendige Messung und Überwachung:
- ServQual-Fragebogen zum Abgleich Erfahrung mit der Erwartung;
- Beschwerdemanagement;
- Story Telling;
- Lost-Order Analysen.
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Für alle GAPs gilt: Je größer die Lücken sind, desto unzufriedener sind die Kunden und umso schwieriger wird die Bindung an das Unternehmen. Um einen Erfolg zu generieren, muss gerade im Dienstleistungsbereich eine regelmäßige Messung und Überwachung der Qualität erfolgen.
Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen,
Ihr Reinhold Kaim
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