Energie ISO 50001 & EN 16247

Klimawandel – was die Klimapolitik und Energiepolitik für Ihr Managementsystem im Unternehmen bedeuten.

Mit den Neufassungen der ISO 9001 und der ISO 14001 im Jahr 2015 hat ein neues Thema Einzug in die Managementsysteme gehalten:  Die Anforderung, externe Themen zu bestimmen, die für den Zweck und die strategische Ausrichtung relevant sind und sich auf die Fähigkeit  der Unternehmen auswirken, die beabsichtigten Ergebnisse ihres Qualitäts-/Umweltmanagementsystems zu erreichen (4.1 ISO 9001:2015/14001:2015). Da diese Anforderung in der High Level Structure (HLS) vorgegeben ist, wird sie künftig auch in anderen Managementsystemnormen wie der ISO 50001 enthalten sein. In diesem Beitrag untersuchen wir, was dieses am Beispiel des Klimagipfels 2015 in Paris  und der europäischen/deutschen Klimapolitik und Energiepolitik für Ihr Managementsystem bedeutet.


Neue Normen: Das Unternehmen muss den Kontext beachten

Die in Abschnitt 4 der ISO 9001:2015/ISO 14001:2015 enthaltenen Anforderungen, sich mit dem Kontext der Unternehmen zu beschäftigen, umfasst auch die Notwendigkeit, sich mit den Erfordernissen und Erwartungen der Klimapolitik und Energiepolitik, die für das Qualitäts-/Umweltmanagementsystem relevant sind, zu befassen; beim Umweltmanagementsystem muss zudem festgelegt werden, welche Erfordernisse und Erwartungen die Organisation für sich übernimmt („zu bindenden Verpflichtungen“ macht). Beides – externe Themen und (die übernommenen) Anforderungen interessierter Parteien – müssen bei der Festlegung des Anwendungsbereiches berücksichtigt werden. Eine wichtige Rolle spielen externe Themen und die Erwartungen und Erfordernisse interessierter Parteien auch bei der ebenfalls in den Fassungen 2015 neu aufgenommenen Anforderung, Risiken und Chancen zu bestimmen, die die Erfüllung der beabsichtigten Ergebnisse des Managementsystems behindern oder fördern könnten.

Um unerwünschte Auswirkungen der Risiken zu verhindern bzw. zu verringern und erwünschte Auswirkungen der Chancen zu verstärken, müssen Maßnahmen geplant werden. Bei diesen neuen Anforderungen geht es zentral darum, dass die Unternehmen ihre Position innerhalb des Marktes und der Gesellschaft kennen und verstehen, wie diese die Leistungserbringung (im Falle des Qualitäts- und Umweltmanagements mit den zentralen Perspektiven der Kundenzufriedenheit und des angemessenen Umgangs mit bedeutenden Umweltauswirkungen) beeinflusst. Dazu gehört in jedem Fall auch die Einhaltung rechtlicher und behördlicher Anforderungen aus der Klimapolitik und Energiepolitik an Produkte und Dienstleistungen (QM) bzw. zu den Umweltaspekten (UM).

Ein Beispiel zeigt, dass die Autoren der HLS/der Normen gut daran getan haben, diese Anforderungen neu aufzunehmen: der VW-Abgasskandal. Dass eine strategische Herausforderung – in diesem Fall die ständige Verschärfung von Abgasgrenzwerten, insbesondere Stickoxidgrenzwerte für Dieselfahrzeuge und CO2-Grenzwerte – nicht als zentrale Qualitätsfrage erkannt wurde, ist im „alten“ Qualitätsverständnis kein Problem: Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG, Martin  Winterkorn, war langjähriger Leiter der Qualitätssicherung bei Audi und wurde noch im April 2015 in einem Portrait des Manager-Magazins als „Mr. Qualität“ bezeichnet. Inzwischen ist aber deutlich, dass der Skandal auch den Absatzzahlen geschadet hat, also – in Normsprache – die Erfüllung der beabsichtigten Ergebnisse behindert hat. In Zukunft wäre das Thema wohl qualitätsrelevant.

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Ein Beispiel für neue Anforderungen: Klimawandel – Klimapolitik

Der VW-Abgasskandal ist auch deshalb instruktiv, weil es dabei um ein zentrales Thema geht, das die Wirtschaft, die Klimapolitik und Energiepolitik in den nächsten Jahrzehnten noch als in vielen Bereichen relevantes „externes Thema“ beschäftigen dürfte: den Klimawandel. Dieselfahrzeuge spielen ja auch deshalb eine so bedeutende Rolle, nicht nur für VW, sondern für viele europäische Autohersteller, weil sie zentral für die Strategie sind, wie CO2-Flottengrenzwerte eingehalten werden sollen; und andererseits begründet die mögliche Entwicklung dieser Flottengrenzwerte womöglich die Notwendigkeit, auf ganz neue Technologien zu setzen (Stichwort Elektromobilität), um überhaupt die politischen Vorgaben erfüllen zu können. Bei diesen haben aber andere, z. T. branchenfremde Anbieter einen Technologievorsprung. Ähnliche, namentlich strengere Anforderungen an die Energiepolitik von Unternehmen bzw. den Energieverbrauch von Produkten kennen auch andere Branchen. Man denke nur an das weitgehende Verbot von klassischen Glühbirnen.

Video: Revision ISO 50001:2018

Video: ISO 50001 – Überblick über die Norm


Megatrend Klimapolitik

Erste Hinweise auf einen vom Menschen verursachten Klimawandel gab es bereits Mitte der 1950er Jahre und führten dazu, dass im Rahmen des Internationalen Geophysikalischen Jahres 1957/1958 am Nordhang des Mauna Loa auf Hawaii in 3.350 Meter Höhe – weit weg von allen möglichen Emissionsquellen – eine Messstation aufgebaut wurde, um zu überprüfen, ob die Kohlendioxid-Konzentration in der Erdatmosphäre tatsächlich, wie vermutet, ansteigt. Die Daten zeigten einen deutlichen Anstieg, Ende der 1970er Jahre warnte die National Academy of Sciences der USA vor einer globalen Erwärmung und die Weltmeteorologieorganisation (World Meteorological Organization, abgekürzt WMO) veranstaltete die erste Weltklimakonferenz. Im Jahr 1988, dem bis dahin wärmsten Jahr seit Beginn der flächendeckenden Klimaaufzeichnungen im Jahr 1880, riefen die Vereinten Nationen und die WMO gemeinsam den UN Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, abgekürzt IPCC) ins Leben, der seither regelmäßig in einem „UN-Klimareport“ den wissenschaftlichen Kenntnisstand zum Klimawandel zusammenfasst.

1992 wurde auf dem UN-Umweltgipfel in Rio de Janeiro die Klimarahmenkonvention angenommen: In Artikel 2 wurde als Ziel vereinbart, „die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene (vom Menschen verursachte) Störung des Klimasystems verhindert wird.” Auf der dritten Vertragsstaatenkonferenz 1997 in Kyoto wurde zur Umsetzung das Kyoto-Protokoll beschlossen: In diesem verpflichten sich die Industrieländer, ihre Emissionen an Treibhausgasen im Zeitraum von 2008 bis 2012 um mindestens 5 Prozent unter den Wert von 1990 zu senken. Dieses Ziel wurde deutlich übertroffen, die Emissionen der Vertragsparteien sanken um über 20 Prozent. Gleichzeitig stiegen aber die globalen Kohlendioxidemissionen um rund 50 Prozent an.

Da es, insbesondere wegen unterschiedlicher Auffassung um die Einbeziehung von Schwellen- und Entwicklungsländern, in der Klimapolitik zunächst nicht gelang, einen Nachfolger für das Kyoto-Protokoll zu verabschieden, wurde dieses Ende 2012 bis zum Jahr 2020 verlängert (mit dem Ziel, die Emissionen um 25 bis 40 Prozent zu verringern). Das Nachfolgeabkommen, das ab dem Jahr 2020 gilt, wurde auf der 21. Vertragsstaatenkonferenz 2015 in Paris von allen 195 Vertragsstaaten einstimmig verabschiedet. Es soll am 22. April 2016 in New York unterzeichnet werden. Im Pariser Abkommen gibt es keine verbindlichen Ziele für die Reduktion der Treibhausgasemissionen mehr, sondern es wurde festgelegt, was „eine gefährliche anthropogene Störung“ (Klimarahmenkonvention) des Klimasystems ist, die es zu verhindern gilt: Der Anstieg der Erdtemperatur soll gegenüber dem vorindustriellen Wert auf deutlich unter zwei Grad Celsius, wenn möglich auf 1,5 Grad Celsius, begrenzt werden. Dazu sollen Selbstverpflichtungen der Vertragsstaaten in der Klimapolitik und Energiepolitik dienen, die alle fünf Jahre daraufhin geprüft werden sollen, ob sich mit ihnen das Ziel, dem Klimawandel entgegenzusteuern, erreichen lässt.

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Was bedeutet die Klimapolitik des Pariser Abkommens?

Die bisher vorliegenden Selbstverpflichtungen (von 146 Ländern, die rund 90 Prozent der Treibhausgas- emissionen verursachen) sind allerdings noch weit von dem Ziel entfernt – sie würden im Jahr 2030 zu Emissionen von rund 55 Milliarden Tonnen Treibhausgasen führen und damit knapp über dem Wert von 2014 liegen. Das 2-Grad-Ziel wäre aber gefährdet, wie das Umweltprogramm der UN in seinem aktuellen „Emission Gap Report 2015“ zeigte, wenn die Emissionen über 42 Milliarden Tonnen lägen. Um den Klimawandel und die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, dürften sie höchstens 39 Milliarden Tonnen betragen. Im Zeitraum von 2060 bis 2075 dürften netto überhaupt keine Treibhausgase mehr emittiert werden. Da aber historisch die Verantwortung für den bisherigen Klimawandel zwischen alten Industrieländern, neuen Industrieländern und Entwicklungsländern sehr ungleich verteilt ist, wird letzteren in der Klimapolitik des Pariser Abkommens mehr Zeit für die Umstellung zugebilligt – was bedeutet, dass auf die alten Industrieländer eine überproportional höhere Belastung zukommt. Entsprechend sieht der „Klimaschutzplan 2050“, mit dem in Deutschland die nationalen Reduktionsschritte bis zum Jahr 2050 festgelegt werden sollen, auch (wie schon im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vereinbart) eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 80 bis 95 Prozent vor. Anders gesagt: Auch Gewerbe, Handel und Industrie, die über 20 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen verursachen, werden in 35 Jahren weitgehend klimaneutral sein müssen.


Wie umgehen mit den neuen Anforderungen in der Energiepolitik?

Auch ohne Anforderungen aus Managementsystemnormen haben sich Unternehmen immer schon mit gesellschaftlichen Anforderungen auseinandergesetzt. Mitunter allerdings in nicht sonderlich weitsichtiger Weise – so hat etwa die Automobilindustrie bei der Einführung des Katalysators den Tod von Millionen Benzinmotoren infolge bleifreien Benzins an die Wand gemalt. Das Motorensterben fand nicht statt und geschadet hat der Katalysator der Autoindustrie auch nicht. Über die Lobbyarbeit beim Kampf gegen strengere Klimapolitik und Energiepolitik in Bezug auf CO2-Grenzwerte für Autos kann man regelmäßig in der Zeitung lesen – um die oben genannten Ziele zu erreichen, führt aber kein Weg daran vorbei. Gleichzeitig fällt den Herstellern die im Zuge des VW-Abgasskandals ebenfalls wieder in den Blick der Öffentlichkeit geratene Tatsache auf die Füße, dass die offiziellen Werte aufgrund des praxisfernen Messverfahrens ohnehin wenig mit den realen Werten zu tun haben, was bisher das Problem für die Hersteller „entschärft“ hat.

Natürlich ist der Umgang mit gesellschaftlichen Anforderungen nicht einfach; mancher Käufer verhält sich als Käufer anders als etwa in Umfragen oder als Wähler. Die Entscheidungen kann auch ein Managementsystem keinem Unternehmen abnehmen, aber zumindest eine Auseinandersetzung mit Themen auf eine breitere Basis stellen. Das Beispiel Klimawandel – und abgeleitet auch die Klimapolitik und Energiepolitik, denn fossile Brennstoffe sind mit Abstand die größte Quelle von Treibhausgasen – betrifft das Qualitätsmanagement (Anforderungen an den Energieverbrauch von Produkten und Dienstleistungen, die zunehmende Bedeutung neuer Technologien oder von Ersatzprodukten, Chancen als Hersteller oder Lieferant der neuen Technologien von Ersatzprodukten), das Umweltmanagement (der Beitrag zum Klimawandel als zu betrachtender Umweltaspekt) und das Energiemanagement (Energieeffizienz verbessert in der Regel auch die Klimabilanz; erneuerbare Energieträger sind aufgrund der vermiedenen Umwandlungsverluste in Wärmekraftwerken energieeffizienter).


Ausblick

Welche Bedeutung wird die strategische Einbindung von Managementsystemen in der Praxis erhalten? Wenn wir noch einmal auf den VW-Abgasskandal zurückblicken, mahnt die Umweltpolitik (Klimapolitik und Energiepolitik) von Volkswagen, in der sich VW wie von der ISO 14001 schon bisher gefordert zur Erfüllung gesetzlicher Auflagen verpflichtet hat, zur Vorsicht. Normanforderungen und Zertifikate alleine garantieren einem Unternehmen gar nichts. Die Bedeutung wird auch davon abhängen, wie ernsthaft die Zertifizierungsauditoren bei diesem Thema nachfragen – und zwar auch auf Vorstandsebene. Das wird erst die Praxis erweisen. Aufgrund der möglichen Folgen einer Nichtbeachtung sind Unternehmen dennoch gut beraten, auch ohne Druck von Zertifizierungsauditoren die Einbindung strategischer Themen in das Managementsystem zu betreiben. Dann kann ein intellektueller Vorsprung auch zu einem ökonomischen werden.

In diesem Sinne und bis demnächst,
Ihr Juergen Paeger


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