Arbeitsschutzmanagement ISO 45001

Die Gefährdungsbeurteilung als Grundlage für systematischen Arbeitsschutz – inhalative und dermale Gefährdungen – Serie Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe Teil 2

Gefährdungsbeurteilung_Gefahrstoffe_BannerIm ersten Teil dieses Beitrags über die Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und Tätigkeiten, bei denen Gefahrstoffe entstehen oder freigesetzt werden können wurde dargestellt, wer die Gefährdungsbeurteilung durchführen sollte, wie ermittelt wird, ob Beschäftigte (und andere, etwa Besucher) mit Gefahrstoffen in Kontakt kommen können und begonnen, die Beurteilung der Gefährdungen darzustellen: Dabei ging es um die Ermittlung geringer Gefährdungen und das Vorgehen bei Vorliegen standardisierter Arbeitsverfahren sowie die Substitutionsprüfung. In diesem Teil wird die eigentliche Beurteilung der Hygiene am Arbeitsplatz, der inhalativen und dermalen Gefährdung, sprich Gefährdung durch Hautkontakt oder Einatmen unter besonderer Berücksichtigung des „Einfachen Maßnahmenkonzepts Gefahrstoffe“ (EMKG) der BAUA vertieft betrachtet.

Unsere Serie zur Gefährdungsbeurteilung von Gefahrstoffen:

Teil 1: Die Gefährdungsbeurteilung von Gefahrstoffen als Grundlage für systematischen Arbeitsschutz – § 6 der
              Gefahrstoffverordnung
 
Teil 2: Die Gefährdungsbeurteilung als Grundlage für systematischen Arbeitsschutz – inhalative und dermale Gefährdungen
Teil 3: Sicherer Umgang mit Gefahrstoffen – diese Schutzmaßnahmen sind gemäß GefStoffV zu treffen


Inhalative und Dermale Gefährdungsbeurteilung

Lassen sich Gefahrstoffe nicht oder nur durch andere (weniger) gefährliche Stoffe ersetzen, sind die Gefährdungen der Tätigkeiten, die mit diesen Stoffen verbunden sind, zu beurteilen (Gefährdungsbeurteilung). Dabei sind Gefährdungen durch Hautkontakt (dermale Gefährdungen), durch Einatmen (inhalative Gefährdungen) und die in diesem Beitrag nicht behandelten physikalisch-chemischen Gefährdungen (insbesondere Brand- und Explosionsgefährdung) unabhängig voneinander zu beurteilen. Treten mehrere Gefahrstoffe gemeinsam auf, sind auch bekannte Kombinations- und Wechselwirkungen zu berücksichtigen. Als Grundlage hierfür dienen die Sicherheitsdatenblätter und – insbesondere für die nicht gekennzeichneten Gefahrstoffe – die anderen bereits in Teil I genannten Informationsquellen.

Neben den Eigenschaften der Gefahrstoffe sind für eine Beurteilung Informationen über die Tätigkeiten, bei denen sie eingesetzt oder entstehen/freigesetzt werden, notwendig. Diese Informationen dienen als Grundlage für die Ermittlung der bei der Arbeit auftretenden Expositionen, insbesondere der inhalativen (Konzentration und Dauer des Vorhandenseins eines Gefahrstoffs in der Atemluft) und der dermalen Exposition (Dauer und Häufigkeit des Hautkontakts, Menge und Konzentration des Stoffes auf der Haut, Lage und Ausdehnung der benetzten Fläche). Hygiene am Arbeitsplatz: Beim Umgang mit Gefahrstoffen ist immer die Einhaltung allgemeiner Hygienestandards zu prüfen, die unnötig hohe Belastungen durch Arbeitsstoffe vermeiden. Dazu gehören Lüftung, richtige Lagerung und Maßnahmen zum Schutz gegen Einatmen (inhalativ), bei Gefährdung durch Hautkontakt (dermal) auch Maßnahmen zum Schutz hier vor. Dabei ist etwa darauf zu achten:

• dass technische Lüftungssysteme (in Werkhallen in der Regel erforderlich, in Büros reicht in der Regel eine
‏    natürliche Belüftung) eingeschaltet sind und funktionieren (ausreichende Prüfung?),
• zum Arbeitsplatz nur der Tagesbedarf oder der kleinste handelsübliche Behälter bereitgestellt sind,
• alle Behälter, in denen sich Gefahrstoffe befinden, beschriftet sind,
• keine Behälter verwendet werden, die mit Lebensmitteln verwechselt werden können,
• Behälter geschlossen und nur bei Entnahme geöffnet werden,
• Waschgelegenheiten und Hautschutzmittel vorhanden sind,
• Pausenverpflegung nicht am Arbeitsplatz gelagert wird,
• Gefahrstoffe, die miteinander reagieren können, getrennt gelagert sind,
• austretende Flüssigkeiten aufgefangen werden,
• Lagerbereiche mindestens einmal wöchentlich auf Undichtigkeiten und Beschädigungen überprüft werden,
• abdeck-/verschließbare Behälter zur Abfallsammlung verwendet werden,
• gemeinsam gesammelte Abfälle nicht zu gefährlichen Reaktionen führen können.

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Sicherheitsdatenblätter

Sicherheitsdatenblätter sind für jeden Gefahrstoff nach Art. 31 der VO (EU) 1907/2006 (REACH-VO) vom Lieferanten zur Verfügung zu stellen. Vor allem kleinere Unternehmen beklagen oft, dass die Lieferanten dieser Pflicht nicht immer nachkommen. Daher empfiehlt es sich, die Lieferung eines aktuellen Sicherheitsdatenblatts bei der Bestellung vertraglich zu vereinbaren. Denn wenn der Betrieb kein Sicherheitsdatenblatt erhält, muss er die zur Gefährdungsbeurteilung notwendigen Informationen selbst beschaffen, was trotz intensiver Recherche oftmals nicht vollständig möglich ist. Dann aber gilt das gleiche wie für freigesetzte Dämpfe, Nebel etc., für die Informationen nicht zu ermitteln sind (vgl. Teil I): der Stoff ist als giftig, reizend, erbgutverändernd und hautsensibilisierend zu betrachten.

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Video: High Level Structure der ISO 45001

Video: ISO 45001 Vorteile und Nutzen


Schutzleitfäden der Reihe 100

Bei der Beurteilung der allgemeinen Hygienestandards helfen auch die „Schutzleitfäden“ der Reihe 100, die die BAUA und die Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie entwickelt haben. Diese sind unter http://www.baua.de/emkg abrufbar.

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Einfaches Maßnahmenkonzept Gefahrstoffe (EMKG) der BAUA

Das von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) entwickelte EMKG ist eine Handlungsanleitung für den systematischen Einstieg in die Beurteilung der inhalativen und dermalen Gefährdung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen. In sieben Schritten, die keine besonderen Vorkenntnisse voraussetzen und auf Informationen in den Sicherheitsdatenblättern sowie im Betrieb leicht zugänglichen Informationen beruhen, werden die genannten Gefährdungen ermittelt und Maßnahmen abgeleitet (ein achter Schritt umfasst die Wirksamkeitsprüfung der Maßnahmen). Modelllösungen für die Maßnahmen werden in Schutzleitfäden dargestellt, die im Anhang 4 des EMKG aufgelistet sind (die 100er-Serie entspricht den allgemeinen Schutzmaßnahmen nach §8 GefStoffV, die 200er- und 300er-Serien den zusätzlichen Schutzmaßnahmen nach §§ 9 und 10 GefStoffV; dazu gibt es tätigkeitsbezogene „Spezielle Schutzleitfäden“). Informationen, Beispiele und eine  Dokumentationshilfe finden Sie auf der Webseite der BAUA.


Inhalative Gefahrstoffe – Gefährdung durch Einatmen

Eine Gefährdung durch Einatmen, sprich eine inhalative Gefährdung, ist bei allen Gefahrstoffen gegeben, die in der Atemluft am Arbeitsplatz vorkommen. Wenn es einen Arbeitsplatzgrenzwert (AGW, siehe TRGS 900) gibt, ist dieser für die Beurteilung maßgeblich. Arbeitsplatzkonzentrationen können durch messtechnische Verfahren oder andere Methoden, etwa durch Abschätzung und Berechnung ermittelt werden. Beispiele sind z. B. in der TRGS 402 gegeben. Sollte selbst bei Betrachtung eines Worst-Case-Szenario ein ausreichender Abstand zu Grenzwerten eingehalten werden, sind diese anderen Methoden bei der inhalativen Gefährdung ausreichend; sollte ein Überschreiten von Grenzwerten möglich sein, empfiehlt sich eine Untersuchung durch messtechnische Verfahren. Messergebnisse bzgl. inhalativer Gefährdungen können auf vergleichbare Arbeitsplätze übertragen werden; diese müssen sich nicht unbedingt im gleichen Betrieb befinden. Im EMKG der BAUA wird das Gefährdungspotenzial „Einatmen“ / „Inhalativ“ durch die Ermittlung einer Gefährlichkeitsgruppe, einer Mengen- sowie einer Freisetzungsgruppe ermittelt.

• Die Gefährlichkeitsgruppe ergibt sich aus dem AGW, bei Gefahrstoffen ohne AGW wird sie aus den R- bzw. H-Sätzen
‏    ermittelt.
• Die Mengengruppe ergibt sich aus der üblicherweise gehandhabten Menge,
• die Freisetzungsgruppe bei Flüssigkeiten aus dem Siedepunkt oder dem Dampfdruck;  bei Feststoffen aus ihrer Staubigkeit.

Je nach Kombination der Ergebnisse für die drei Gruppen – dem Gefährdungspotenzial – wird im EMKG auf Schutzleitfäden verwiesen, die Empfehlungen für anzuwendende Schutzmaßnahmen darstellen (oder auf eine notwendige „Beratung“, die auch in der Anwendung technischer Regeln bestehen kann).

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Dermale Gefahrstoffe – Gefährdung durch Hautkontakt

Hautgefährdungen, sprich dermale Gefährdungen, gehen von hautgefährdenden, hautsensibilisierenden und hautresorptiven Gefahrstoffen sowie – oft im Zusammenhang mit dem Umgang mit Gefahrstoffen vorkommend – Feuchtarbeit aus. Ätzende oder reizende Stoffe und Zubereitungen sind dermal hautgefährdend. Je nach Art des Gefahrstoffes kann der Kontakt zu sofortiger Hautschädigung führen (toxisches Hautekzem, z. B. bei Kontakt mit starken Säuren), oder diese entsteht erst über einen längeren Zeitraum (degeneratives  Kontaktekzem). Bei hautsensibilisierenden Gefahrstoffen können – oft erst nach jahrelangem Kontakt – allergische Kontaktekzeme entstehen. Hautresorptive Stoffe gelangen über die Haut (dermal) in den Körper. Wenn ein Beschäftigter mehr als zwei Stunden flüssigkeitsdichte Schutzhandschuhe trägt, muss zudem die dermale Gefährdung durch Feuchtarbeit betrachtet werden. Nach TRGS 401 wird zwischen geringer, mittlerer und hoher Gefährdung durch Hautkontakt unterschieden.

Geringe Gefährdung
Eine geringe dermale Gefährdung liegt z.B. bei Tätigkeiten mit kleinflächigem und kurzfristigem Hautkontakt mit Gefahrstoffen mit den Risikohinweisen R 66 oder R 38 (Wiederholter Kontakt kann zu spröder oder rissiger Haut führen bzw. reizt die Haut).

Mittlere Gefährdung
Eine mittlere dermale Gefährdung liegt etwa bei großflächigem und längerfristigem Hautkontakt mit diesen Gefahrstoffen vor, oder bei kleinflächigem und kurzfristigen Hautkontakt mit Gefahrstoffen mit R 34 (verursacht Verätzungen), R 35 (verursacht schwere Verätzungen) oder pH-Werten ≤2 bzw. ≥ 11,5.

Hohe Gefährdung
Eine hohe dermale Gefährdung liegt bei großflächigem und längerfristigem Hautkontakt mit Gefahrstoffen mit R 34 oder pH-Werten ≤2 bzw. ≥ 11,5 sowie bei großflächigem und kurzfristigem oder kleinflächigem und längerfristigem sowie großflächigem und längerfristigem Hautkontakt mit Gefahrstoffen mit R 35. Eine hohe Gefährdung liegt auch immer dann vor, wenn Stoffe bei einer erheblichen Anzahl von Mitarbeitern eine Sensibilisierung durch Hautkontakt hervorrufen können.

Zu beachten sind hierbei auch Faktoren, die die so ermittelte Gefährdung erhöhen können, etwa

• verstärkte Hautdurchblutung durch Hitze,
• vermehrte Aufnahme von Gefahrstoffen durch Entfettung der Haut (Seife, Lösungsmittel) und
• Depotbildung (Speicherung hautresorptiver Stoffe in der Hornhaut).

Bei hautresorptiven und sensibilisierenden Gefahrstoffen wird ohnehin empfohlen, sich durch den Betriebsarzt beraten zu lassen. Beim EMKG wird das Gefährdungspotenzial aus einer Gefährlichkeitsgruppe, der Wirkfläche und der Wirkdauer ermittelt. Die Gefährlichkeitsgruppe „Haut“ (dermal) wird analog zur Gefährlichkeitsgruppe „Einatmen“ aus R- bzw. H-Sätzen ermittelt, bei der Wirkfläche zwischen klein (z. B. wenige Spritzer) und groß (z. B. benetzte Hand) und Wirkdauer zwischen kurz (unter 15 Min./Tag) und lang unterschieden. Aus dem Gefährdungspotenzial wird der Maßnahmenbedarf abgeleitet.Regelwerk_Gefaehrdungsbeurteilung_Gefahrstoffe

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.
Ihr Juergen Paeger


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