Der zweite Anlauf: Von der OHSAS 18001 zum Entwurf DIN ISO 45001:2017-06 im Arbeits- & Gesundheitsschutz A&GS
Nachdem der erste ISO 45001 Entwurf, der die OHSAS 18001 als die international verbreitetste Norm für Arbeitsschutzmanagementsysteme ablösen soll im Jahr 2016 keine ausreichende Zustimmung durch die nationalen Mitglieder der ISO erhalten hat, musste ein zweiter Entwurf erarbeitet werden, der nunmehr auch in deutscher Sprache als E DIN ISO 45001:2017-06 vorliegt. Je nachdem, auf welche Akzeptanz dieser Entwurf trifft, kann die neue Norm nach Einschätzung des federführenden British Standard Institute (BSI) noch in diesem Jahr oder aber – falls ein FDIS nötig ist – erst im zweiten Quartal 2018 erscheinen. Was sich gegenüber dem ersten ISO 45001 Entwurf geändert hat und wann bestehende OHSAS 18001 Zertifizierungen ungültig werden, erfahren Sie in diesem Beitrag.
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Der HLS Aufbau des ISO 45001 Entwurfs zum Arbeits- & Gesundheitsschutz
Wie die neu gefassten ISO 9001 und ISO 14001 folgt auch der ISO 45001 Entwurf der High-Level-Structure (HLS). Daran hat selbstverständlich auch der zweite Anlauf nicht gerüttelt, ist diese doch für alle neuen Managementsystem-Normen verbindlich. Beim Vergleich der Inhaltverzeichnisse fällt aber auf, dass der Abschnitt 8 beim ersten ISO 45001 Entwurf noch aus 6 Unterabschnitten bestand, während es im neuen Entwurf nur noch zwei Unterabschnitte gibt. Die Unterabschnitte des ersten Entwurfs wurden im zweiten ISO 45001 Entwurf bis auf „Notfallplanung und Reaktion“ (das ein Unterabschnitt blieb) zu Unterabschnitten zu „Betriebliche Planung und Steuerung“ (siehe Abb.). Die damit verbundenen inhaltlichen Änderungen halten sich aber in Grenzen: Bei „Betrieblicher Planung und Steuerung“ entfällt die Anforderung aus dem ersten Entwurf, Situationen zu bestimmen, in denen das Fehlen dokumentierter Informationen zur Abweichungen von der Politik und den Zielen im Arbeits- & Gesundheitsschutz (kurz A&GS) führen könnte. Beim Änderungsmanagement fehlt im zweiten ISO 45001 Entwurf die Anforderung, Änderungen auch im Hinblick auf A&GS-Chancen zu beurteilen (nunmehr wird in einer Anmerkung erläutert, dass Änderungen auch zu A&GS-Chancen im Arbeits- & Gesundheitsschutz führen können). Die Anforderung aus dem ersten ISO 45001 Entwurf, auch Gefährdungen zu identifizieren, die Beschäftigten von Auftragnehmern aufgrund ihrer eigenen Betriebsabläufe entstehen, gibt es im zweiten Entwurf nicht mehr. Ansonsten wurden die Anforderungen aus diesem Abschnitt zum Teil umformuliert, aber nicht wesentlich geändert.
Änderungen im 2. ISO 45001 Entwurf
Viele der inhaltlichen Änderungen vom ersten zum zweiten ISO 45001 Entwurf sind lediglich überarbeitete Formulierungen, die die Norm (hoffentlich) verständlicher machen. So hieß es unter „4.2 Verstehen der Organisation und ihres Kontextes“ etwa im ersten Entwurf, dass die Organisation bestimmen muss, „welche dieser Erfordernisse und Erwartungen zu geltenden gesetzlichen Vorschriften und sonstigen Anforderungen werden“. Im zweiten ISO 45001 Entwurf lautet die entsprechende Formulierung „welche dieser Erfordernisse und Erwartungen gesetzliche Vorschriften und sonstige Anforderungen sind oder zu solchen werden könnten“.
Im Klartext: manche Erwartungen machen interessierte Parteien (wie der Gesetzgeber) zu Gesetzen oder Verordnungen (die ohnehin, wie in der OHSAS 18001, ermittelt und deren relevante Anforderungen im Rahmen des AMS umgesetzt werden müssen), andere hält das Unternehmen für so wichtig, dass es sich zu ihrer Erfüllung entschließt. Weiter kann man aus dem Satz schließen, dass das Unternehmen auch eine Art Gesetzesradar braucht, um die Anforderungen zu erkennen, die zu gesetzlichen Verpflichtungen werden könnten.
Aber da es sich um einen Normentwurf handelt, können solche Formulierungen bis zur endgültigen Norm ISO 45001 auch noch einmal geändert werden – es lohnt sich also nicht, bereits jetzt über die mögliche Auslegung von einzelnen Formulierungen nachzudenken, weshalb wir uns im Folgenden auf inhaltlich relevante Änderungen konzentrieren wollen.
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Video: High Level Structure der ISO 45001
Video: ISO 45001 Vorteile und Nutzen
Inhaltlich relevante Änderungen zum Arbeits- & Gesundheitsschutz A&GS
Festlegung des Anwendungsbereichs
Die Anforderungen an die Festlegung des Anwendungsbereichs sind konkreter als in der OHSAS 18001: neben den neu aus der HLS stammenden externen und internen Themen sowie den Anforderungen von Beschäftigten und anderen interessierten Parteien, müssen die geplanten und durchgeführten Tätigkeiten, die sich auf die Leistung im Arbeits- & Gesundheitsschutz auswirken, berücksichtigt werden. Dass auch geplante Tätigkeiten zu berücksichtigen sind, war im ersten Entwurf noch nicht vorgesehen.
Rechenschaftspflicht der obersten Führung
Ebenfalls wurde gegenüber dem ersten ISO 45001 Entwurf die Rechenschaftsplicht der obersten Führung geändert: hatte sie im ersten Entwurf noch die Verantwortung für den Arbeits-und Gesundheitsschutz A&GS im Allgemeinen, sind im zweiten ISO 45001 Entwurf „Vermeidung arbeitsbezogener Verletzungen und/oder Krankheiten sowie die Bereitstellung von sicheren und gesunden Arbeitsplätzen und Tätigkeiten“ genannt. Weiter muss sie nur noch die fortlaufende Verbesserung sicherstellen und fördern;
Arbeits-und Gesundheitsschutzausschuss
Es fehlt der im ersten ISO 45001 Entwurf enthaltene Zusatz „indem Maßnahmen zum Umgang mit Nichtkonformitäten, Möglichkeiten und arbeitsbezogenen Gefährdungen und Risiken, einschließlich Systemmängel, systematisch identifiziert und ergriffen werden.“ Dafür wurde neu ergänzt, dass sie „die Notwendigkeit zur Gründung von Arbeits-und Gesundheitsschutzausschüssen erwägt und deren Funktionieren unterstützt“ – was in Deutschland nur in kleinen Unternehmen bis höchstens 20 Mitarbeitern relevant ist, da alle anderen ohnehin vom Arbeitssicherheitsgesetz zur Bildung eines Arbeitsschutzausschusses (ASA) verpflichtet sind.
Festlegung der Arbeits- & Gesundheitsschutz Politik
Entfallen ist im zweiten Entwurf auch die Anforderung, die A&GS-Politik „in Rücksprache mit den Beschäftigen auf allen Ebenen der Organisation“ festzulegen (wohl aber taucht die Konsultation der Beschäftigten weiter im Unterabschnitt „5.4 Konsultation und Beteiligung der Beschäftigten“ auf);
Arbeits- & Gesundheitsschutz Risiken
Bei den Inhalten wurde die Selbstverpflichtung zur „Steuerung von A&GS-Risiken unter Verwendung der Steuerungshierarchie“ im ersten Entwurf durch die zur „Vermeidung von Gefahren und zum Verringern von A&GS-Risiken“ im zweiten ISO 45001 Entwurf ersetzt.
Überprüfung der Arbeits- & Gesundheitsschutz Politik
Die Forderung, die Arbeits- & Gesundheitsschutz A&GS-Politik regelmäßig zu überprüfen, ist entfallen, sie muss nur „relevant und geeignet“ sein. (Auch in der Managementbewertung ist die Überprüfung der A&GS-Politik kein ausdrücklich geforderter Punkt mehr – hier spiegelt sich wohl die Erkenntnis wieder, dass die A&GS-Politik im Arbeits- & Gesundheitsschutz in der Praxis eher selten geändert wird; und wenn tatsächlich Handlungsbedarf besteht, reicht die Forderung nach Relevanz aus, auf einer Anpassung zu bestehen.)
Konsultation und Beteiligung der Mitarbeiter
Gegenüber der OHSAS 18001 wurden die Anforderungen an die Konsultation und Beteiligung der Mitarbeiter deutlich ausgeweitet.
Maßnahmen zum Umgang mit Risiken und Chancen
Der – im Vergleich zur OHSAS 18001 neue – Unterabschnitt 6.1 „Maßnahmen zum Umgang mit Risiken und Chancen“ wurde gegenüber dem ersten Entwurf weiter verändert.
Arbeits- & Gesundheitsschutz-Managementsystem
Wieder eingeführt wurde die im ersten Entwurf fehlende (aber schon in der OHSAS 18001 enthaltene) Anforderung, gesetzliche Vorschriften und sonstige Anforderungen bei der Erstellung und Aufrechterhaltung des Arbeits- & Gesundheitsschutz-Managementsystems zu berücksichtigen (was ja schon deshalb sinnvoll ist, da nach wie vor die Verpflichtung zur Einhaltung gesetzlicher und anderer Anforderungen in der A&GS-Politik stehen muss).
Arbeits- & Gesundheitsschutz Ziele
Kaum Änderungen gibt es vom ersten zum zweiten Entwurf bei den A&GS-Zielen und der Planung zur Zielerreichung: Lediglich die Anforderung, Ziele „deutlich“ zu vermitteln wurde im zweiten Entwurf auf die Vermittlung der Ziele reduziert.
Unterstützung
Im Abschnitt Unterstützung wurden die Kompetenzen ergänzt: zu den notwendigen Kompetenzen gehört jetzt ausdrücklich die Fähigkeit, Gefährdungen zu identifizieren.
Bewusstsein
Auch das notwendige Bewusstsein, das den Mitarbeiten zu vermitteln ist, wurde vom ersten zum zweiten ISO 45001 Entwurf erweitert. Neben der A&GS-Politik umfasst es jetzt auch die A&GS-Ziele sowie „Vereinbarungen, die es den Beschäftigen ermöglichen, sich aus Arbeitssituationen zurückzuziehen, die ihrer Ansicht nach eine unmittelbare und ernsthafte Gefahr für ihr Leben oder ihre Gesundheit bedeuten…“ – in Deutschland wäre dies etwa § 9 ArbSchG als relevante gesetzliche Grundlage für ein solches Verhalten.
Externe Kommunikation
Erweitert wurden auch die Anforderungen an die externe Kommunikation. Im ersten ISO 45001 Entwurf war nur gefordert, wenn zutreffend die „Sichtweise relevanter externer interessierter Kreise“ zu konsultieren, im zweiten Entwurf heißt es, den Ansichten von externen interessierten Kreisen muss bei der Aufstellung des/der Kommunikationsprozesse/s Rechnung getragen werden.
Arbeits- & Gesundheitsschutz Information
Nicht im ersten Entwurf enthalten war zudem die Anforderung, dass die A&GS-Information mit der Information übereinstimmt, die innerhalb des Arbeits- & Gesundheitsschutz-Managementsystems erzeugt wird und verlässlich sein muss.
Dokumentierte Information
Geändert haben sich auch die Anforderungen an die dokumentierte Information: eine Beschreibung der Hauptelemente des A&GS Arbeits- & Gesundheitsschutz-Managementsystems, seiner Prozesse und ihres Zusammenwirkens, wie im ersten Entwurf enthalten, ist im zweiten Entwurf nicht mehr gefordert – dafür wird jetzt auf die von gesetzlichen Vorschriften und sonstigen Anforderungen geforderte dokumentierte Information verwiesen. Auch bei der Anmerkung zum Umfang der Dokumentation wird (praxisnah) auf die Nachweise zur Erfüllung gesetzlicher Vorschriften und sonstiger Anforderungen verwiesen. Die (wenigen) inhaltlich relevanten Änderungen unter „8 Betrieb“ wurden oben schon dargestellt.
Bewertung der Leistung
Bei Bewertung der Leistung wurde ergänzt, dass die bereits im ersten ISO 45001 Entwurf geforderte Überwachung und Messung geltender gesetzlicher Vorschriften und sonstiger Anforderungen sich auf den Umfang, in dem diese erfüllt werden, bezieht. Diese Überwachung und Messung ist zudem Voraussetzung für die (bereits in der OHSAS 18001 und in der ISO 45001 weiterhin) geforderte Bewertung der Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorschriften und anderen Anforderungen; dieser Abschnitt ist im Vergleich zu OHSAS 18001 deutlich detaillierter. So müssen:
• das Verfahren für und die Häufigkeit der Bewertung festgelegt,
• die Übereinstimmung bewertet,
• ggf. Maßnahmen festgelegt und
• dokumentierte Informationen mit den Ergebnissen der Bewertung aufbewahrt werden.
Anforderungen an die Managementbewertung
Die Anforderungen an die Managementbewertung wurden im Vergleich zum ersten ISO 45001 Entwurf ausgeweitet. So müssen Veränderungen bei Erfordernissen und Erwartungen interessierter Parteien betrachtet werden und Entscheidungen über Möglichkeiten getroffen werden, die die Integration des A&GS-Managementsystems mit anderen Geschäftsprozessen zu verbessern.
Verbesserung
Im Abschnitt „10 Verbesserung“ wurde ein Unterabschnitt 10.1 „Allgemeines“ eingefügt, dass Möglichkeiten zur Verbesserung bestimmt und notwendige Maßnahmen verwirklicht werden müssen, um die beabsichtigten Ergebnisse zu erreichen.
Gefährdungsbeurteilung
Neu eingefügt wurde im Abschnitt über Vorfälle, Nichtkonformitäten und Korrekturmaßnahmen die Anforderung, ggf. eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen.
Fortlaufende Verbesserung
Der Unterabschnitt „Fortlaufende Verbesserung“ wurde neu formuliert, inhaltlich aber nicht wesentlich geändert.
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Video: Was ist ein Arbeitsschutzmanagementsystem
Video: ISO 45001 – Häufige Missverständnisse
Von der OHSAS 18001 zur ISO 45001
Mittlerweile steht auch fest, dass nach Inkrafttreten der ISO 45001 – analog zu ISO 9001 und ISO 14001 – eine dreijährige Übergangsfrist festgesetzt wurde, in der bestehende Zertifikate nach OHSAS 18001 weiterhin gelten. Es empfiehlt sich, anstehende Rezertifizierungsaudits zur Umstellung zu nutzen, um den Zusatzaufwand zu begrenzen. An einem ändert der neue zweite ISO 45001 Entwurf nichts: Die wesentliche Änderung bei der Umstellung auf ISO 45001 ist die strategische Einbindung des Arbeitsschutzmanagementsystems (externe und interne Themen, Anforderungen interessierter Parteien sowie Ermittlung von [auch strategischen] Risiken und Chancen sowie die erweiterten Aufgaben und die Rechenschaftspflicht der obersten Leitung – obgleich diese rechtlich ohnehin besteht).
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.
Ihr Juergen Paeger
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