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Prüfbescheinigung beim Wareneingang

 

Der § 377 HGB legt jedem ordentlichen Kaufmann, als Käufer einer Ware, bestimmte Untersuchungs- und Anzeige- bzw. Rügepflichten auf. Dieser hat die Ware – unverzüglich nach der Anlieferung! – zu untersuchen und dabei festgestellte Mängel dem Verkäufer ebenso unverzüglich anzuzeigen. Bei verspäteten Mängelanzeigen (Rügen; Reklamationen) gilt die Ware „als genehmigt“. Laut HGB hat der Käufer die Ware, soweit „tunlich“, also soweit zumutbar, zu untersuchen. Was ist nun, wenn der Käufer sich die Eigenschaften der Ware in einer Bescheinigung hat bestätigen lassen? Darf der Besteller nun davon ausgehen, dass die in einer Bescheinigung bestätigten Werte und sonstigen Angaben (z.B. eine an dem Erzeugnis vorgenommene Festigkeitsprüfung) mit den tatsächlichen Werten des Erzeugnisses übereinstimmen? Dies hängt wie so häufig vom Einzelfall, d.h. zum Beispiel von der Art der Bescheinigung ab. Verschaffen Sie sich am besten im Folgenden einen Überblick über die verschiedenen Arten der Prüfbescheinigungen beim Wareneingang .

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Rechtsnatur und Zweck der Prüfbescheinigung

Prüfbescheinigungen können den Prüfaufwand im Wareneingang erheblich reduzieren. Deshalb nimmt deren Bedeutung ständig zu. Mit der Normung nach DIN EN 10204 bedürfen allerdings die rechtlichen und die formalen Folgen dieser früher „Werksprüfzeugnis“ genannten Dokumente besonderer Beachtung durch Lieferant und Kunde. Eine Prüfbescheinigung soll die Konformität (= Übereinstimmung) der gelieferten Ware mit den Anforderungen in der Bestellung und den darin offen oder versteckt enthaltenen Lieferbedingungen erklären bzw. bestätigen. Es handelt sich somit um eine lupenreine „Konformitätserklärung“, für die der Hersteller der Ware die alleinige Verantwortung übernimmt.
In den allermeisten Fällen ist der Hersteller eine „juristische Person“, die durch – zu bestimmten Rechtsgeschäften bevollmächtigte – natürliche Personen vertreten wird. Das bedeutet, dass derjenige, der eine Prüfbescheinigung unterschreibt, eine entsprechende Berechtigung benötigt. Diese sollten Sie durch eine formale Beauftragung zur Ausstellung und Bestätigung von Konformitätserklärungen und Prüfbescheinigungen regeln.

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Die DIN EN 10204 mit Ihren vier Bescheinigungsarten

Die Prüfbescheinigung ist ein Ergebnis der Normung. Die ersten Aktivitäten konzentrierten sich in der nationalen DIN 50049, deren Vorläufer bis ins Jahr 1951 zurückreichen. Erst in 1992 wurde diese Norm zur EN 10204 europäisiert, sodass diese aktuell nach weiterem Feinschliff als DIN EN 10204, auch in Deutschland, wieder als nationale Norm umgesetzt wurde. Aus ehemals sieben Arten von Prüfbescheinigungen blieben nun nur noch vier übrig, deren Unterschiede die folgende Übersicht zeigt.

 

Alle Prüfbescheinigungen verfolgen zwei wichtige Zwecke: Sie sichern den Nachweis über die Herkunft des Materials und erleichtern damit dessen Rückverfolgung. In zweiter Linie dienen sie der Qualitätssicherung beim Besteller, indem sie mehr oder weniger spezifisch Auskunft zu relevanten Eigenschaften des Materials geben.

Achtung: Eine Prüfbescheinigung enthält dabei zwei unterschiedliche Rechtsakte, die jedoch in einem Dokument erfolgen können:

  • Die Erklärung der Konformität des Liefergegenstandes mit den Anforderungen in der Bestellung und
  • die Bestätigung der Prüfergebnisse im Hinblick auf die Anforderungen in der Bestellung.

 

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Dies versteht die Norm unter einem Abnahmebeauftragten

Abnahmebeauftragter ist eine Funktionsbezeichnung für eine Person, die Abnahmeprüfzeugnisse 3.1 oder 3.2 im Sinne der DIN EN 10204 bestätigt. Der Hersteller bevollmächtigt hierzu einen Mitarbeiter oder eine externe Organisation, z.B. ein Prüflabor, mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Abnahmebeauftragten (früher auch Werkssachverständiger genannt). Obwohl die spezifischen Prüfungen nicht zwangsläufig vom Abnahmebeauftragten persönlich durchgeführt werden müssen, benötigt er Fachgebietskenntnisse (Erzeugnisse und Prüfverfahren) und Erfahrungen im Qualitätswesen sowie in der Abnahme.
In der DIN EN 10204 wird zwischen drei verschiedenen Abnahmebeauftragten unterschieden:

Abnahmebeauftragter des Herstellers
Diese früher als Werkssachverständiger bezeichnete Person darf nicht unmittelbar an der Erzeugung des zu bestätigenden Produkts beteiligt gewesen sein („unabhängig von der Fertigungsabteilung“). Speziell in kleinen Firmen führt dies zu Konflikten, wenn der Einsatz eines Externen zu kostspielig wäre, aber die Kompetenz z.B. in Form des Produktionsleiters vorhanden wäre. Mit einem kleinen organisatorischen Trick ist dies jedoch trotzdem machbar.

Abnahmebeauftragter des Bestellers
Falls ein Kunde verlangt, dass ein Abnahmeprüfzeugnis 3.2 ausgestellt werden soll, muss er dem Hersteller bzw. seinem Lieferanten rechtzeitig vor der Abnahme mitteilen, wer sein Abnahmebeauftragter ist. Dieser Abnahmebeauftragte des Bestellers kann Mitarbeiter des bestellenden Unternehmens selbst sein oder aber auch einer dritten Organisation angehören und z.B. per Dienstleistungsvertrag für den Besteller tätig werden.

Achtung: Der Abnahmebeauftragte des Besteller übernimmt keinerlei Verantwortung im Hinblick auf die Gesamtkonformität der Erzeugnisse und auch nicht bezüglich der Prüfergebnisse, sondern bestätigt nur die ihm vorgelegten Prüfergebnisse ohne zwingend an der Prüfung teilgenommen zu haben.

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Abnahmebeauftragter, in amtlichen Vorschriften genannt
In einigen Branchen ist Kraft amtlicher Vorschriften die Einschaltung von Abnahmebeauftragten einer dritten Partei vorgeschrieben, die weder vom Hersteller noch vom Besteller beauftragt werden.

Achtung:
Weder der Besteller noch der Hersteller kann dies per Vertrag ausschließen, da es sich bei der Beteiligung dieses Abnahmebeauftragten um einen hoheitlichen Akt handelt! Auch dieser Abnahmebeauftragte übernimmt keinerlei Verantwortung im Hinblick auf die Gesamtkonformität der Erzeugnisse.


Relevanz einer Prüfbescheinigung zur Vertragserfüllung

Aus der Sicht der Gerichte haben Normen den Charakter von „Empfehlungen, deren freiwillige Anwendung erwartet wird“.
Eine Norm steht also zur Anwendung frei, was bedeutet, dass man diese (bis auf einige Ausnahmefälle!) anwenden kann, aber nicht muss. Will man also als Käufer eine Prüfbescheinigung zur vertraglichen Pflicht des Verkäufers machen, muss man dies bei Vertragsabschluss explizit vereinbaren.
Die Lieferung der Prüfbescheinigung und deren Übergabe an den Besteller werden damit Teil der vertraglichen Pflichten des Lieferanten, mit den folgenden rechtlichen Konsequenzen bei Leistungsstörung:

  • Das Fehlen berechtigt den Käufer zur Zurückbehaltung des Kaufpreises bzw. eines Anteils und
  • der Käufer kann bei Fehlen von oder Fehlern in der Prüfbescheinigung ggf. vom Vertrag zurücktreten und/oder
  • Schadensersatz statt der Leistung verlangen.

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Bringen Ihnen Prüfbescheinigungen mehr Sicherheit?

Diese Frage muss aus zwei Perspektiven beantwortet werden. Aus der Sicht des Bestellers bringt eine Prüfbescheinigung beim Wareneingang ein Mehr an Sicherheit, da

  • der Aussteller einer solchen Bescheinigung dem Besteller bei Verschulden für falsche Angaben haftet,
  • der Besteller, zumindest im Umfang der bestätigten Werte, den Aufwand der handelsrechtlichen Prüf- und Anzeigepflicht reduzieren kann.

Aus der Sicht des Lieferanten ergeben sich, neben dem vorgenannten haftungsrechtlichen Risiko jedoch auch Vorteile, da

  • die Bescheinigungen im Rahmen eines Haftungsfalls die Rückverfolgbarkeit auf das Material sicherstellen und
  • den Nachweis der Erfüllung der unternehmerischen Fabrikationspflicht erleichtern.

Ihr Reinhold Kaim

 

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