Lebensmittelsicherheit, HACCP, IFS, BRC & FSSC

Neuer Leitfaden der EU zu Hygiene und HACCP

Am 30.07.2016 hat die Kommission der EU im Amtsblatt der Europäischen Union eine Bekanntmachung zum Thema Hygiene und HACCP in Lebensmittelbetrieben veröffentlicht. Diese bringt für Insider interessante neue Aspekte insbesondere bei der Festlegung von CCPs, die zunächst nicht so einfach nachzuvollziehen sind. Darüber hinaus werden ganz konkrete Definitionen gegeben, die Vieles im Rahmen der Gefahrenanalyse klarer machen. In diesem Beitrag werden wir Ihnen zunächst den neuen Leitfaden der EU zur Lebensmittelhygiene vorstellen. In den folgenden Beiträgen erfahren Sie dann, wie sich diese Vorgaben konkret auf Ihr Hygiene und HACCP Konzept und die Lebensmittelhygiene in Ihrem Betrieb auswirken können.


Leitfaden oder Verordnung – Hintergrund der Bekanntmachung

Die Mitte 2016 veröffentlichte Bekanntmachung der EU  trägt den genauen Titel: „Bekanntmachung der Kommission zur Umsetzung von Managementsystemen für Lebensmittelsicherheit unter Berücksichtigung von PRPs und auf die HACCP-Grundsätze gestützten Verfahren einschließlich Vereinfachung und Flexibilisierung bei der Umsetzung in bestimmten Lebensmittelunternehmen“. Da dieser Titel sehr lang ist, werden wir ihn im Folgenden nur noch „Leitfaden“ der EU nennen. Und diese Bezeichnung sagt auch schon aus, dass es sich nicht um eine Verordnung handelt, die zwingend von den Lebensmittelunternehmen umgesetzt werden muss. Wenn Sie also ein funktionierendes und ggf. schon zertifiziertes HACCP-System aufgebaut haben, können Sie dieses auch weiterhin anwenden. Sollten Sie allerdings in verschiedenen Themen noch nicht ausreichende Klarheit haben, so kann dieser Leitfaden Lebensmittelhygiene sehr interessant für Sie sein.

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Muss der Leitfaden zur Lebensmittelhygiene umgesetzt werden?

In Seminaren wird immer wieder die Frage gestellt, ob die Inhalte des Leitfadens umgesetzt werden müssen, bzw. wohin der Trend geht. Wie bereits gesagt, muss der Leitfaden zur Lebensmittelhygiene nicht zwingend angewendet werden. Bei Lebensmittelüberwachern und Zertifizierungsauditoren wird sich dieser Leitfaden aber als „gesetzesnahe“ Vorgabe in den Köpfen verankern. Das kann bedeuten, dass Sie in Audits immer öfter die Frage hören, inwieweit Sie die den Leitfaden Lebensmittelhygiene in Ihre Überlegungen zu Hygiene und HACCP einbezogen haben. Darüber hinaus wird sicher auch bei Unklarheiten bzw. Mängeln Ihres Konzeptes auf den Leitfaden verwiesen werden. Es ist also sinnvoll, sich mit den Inhalten des Leitfadens auseinanderzusetzen.


Welches Ziel verfolgt der Leitfaden?

Der Leitfaden zur Lebensmittelhygiene ist als praktische Orientierungshilfe gemeint. Er soll das „Zusammenspiel von PRPs und HACCP-gestützten Verfahren im Rahmen eines Managementsystems für Lebensmittelsicherheit verdeutlichen“. Dabei werden in Anhängen zu diesen beiden Punkten detaillierte Anleitungen gegeben. Darüber hinaus wird kleineren Unternehmen erläutert, welche Dokumentation bzw. welche Maßnahmen angemessen sind und von ihnen gefordert werden.

Video: Was ist HACCP?

Video: Wer muss ein HACCP Konzept umsetzen?


Neue Definitionen und Abkürzungen im Leitfaden zur Lebensmittelhygiene

Der Leitfaden zur Lebensmittelhygiene geht neue Wege bezüglich der verwendeten Abkürzungen bzw. Definitionen. Wer sich schon einmal mit der Norm ISO 22000 beschäftigt hat, wird diese Begriffe wiedererkennen. Das heißt, die EU-Kommission hat hier eine Annäherung an die geltenden Normen der Lebensmittelhygiene gesucht. Folgende Begriffe werden verwendet:

GHP = Gute Hygienepraxis (englisch: good hygiene practice) (z. B. Reinigung und Desinfektion, Personalhygiene)
GMP = Gute Herstellungspraxis (englisch: good manufacturing practice) (z. B. Dosierung der Zutaten, Verarbeitungstemperaturen)
PRPs = Präventivprogramme (englisch: Prerequisite Programmes) oder Basishygieneprogramme. Dies sind Programme, die sowohl GHP als auch GMP umfassen.
oPRPs = operative Präventivprogramme (englisch: operational prereqisite programmes), „Punkte im Produktionsprozess, an denen ein geringeres Risiko für die Lebensmittelsicherheit besteht als bei CCPs oder für die es keine messbaren Grenzwerte gibt. Diese Punkte können im Wege komplexerer allgemeiner, grundlegender Kontrollmaßnahmen im Rahmen der PRPs beherrscht werden.“

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Pyramide_LebensmittelsicherheitZusammenspiel GHP, GMP und HACCP

Stärker als bisher wird von dem Leitfaden das Zusammenspiel der drei Faktoren GHP, GMP und HACCP zur Lebensmittelhygiene hervorgehoben. Es soll ein Managementsystem als ganzheitliches System für Lebensmittelsicherheit eingeführt werden. Damit sollen die Prozesse beherrscht und die Sicherheit gewährleistet werden. Der Leitfaden stellt dieses System in Form einer Pyramide dar. Dabei wird der untere Bereich als „Basis“ bezeichnet, in der Präventiv- und Notfallmaßnahmen zusammengefasst sind mit Maßnahmen der Rückverfolgbarkeit, des Rückrufsystems und der Kommunikation bzw. Information, die notwendig sind, um den Verbraucher zu schützen. Der obere Bereich, die Spitze der Pyramide, ist das System der Eigenkontrolle. Es wird ausdrücklich noch einmal, wie in der klassischen Lehre zu HACCP, darauf hingewiesen, dass zunächst die Basismaßnahmen umgesetzt werden müssen, bevor das HACCP-System greifen kann.


Was passiert mit vorhandenen HACCP und Hygiene Leitlinien?

Die Europäische Hygiene-Verordnung VO (EG) 852/2004 lässt zu, dass in den Mitgliedsstaaten spezifische Leitlinien entwickelt werden. Bereits veröffentlichte Leitfäden gelten nach wie vor. Hier können europäische Leitlinien abgerufen werden.

Video: Wie oft muss ein HACCP Konzept verifiziert werden?

Video: HACCP Gefahrenanalyse


Codex Alimentarius und anderen Standards – Hygiene und HACCP

Wie bereits erwähnt, nimmt der Leitfaden Lebensmittelhygiene Bezug auf die Norm ISO 22000, die als Grundlage für Zertifizierungen von Lebensmittelbetrieben und Unternehmen der gesamten Lebensmittelkette dient. Ziel dieser Norm ist der Aufbau eines Managementsystems, das neben der Optimierung der betrieblichen Abläufe die Gewährleistung der Sicherheit der Verbraucher gegenüber nachteiliger Beeinflussung hat. Darüber hinaus findet für Lebensmittelhersteller der Standard FSSC in der Zertifizierung Anwendung. Dies ist eine Erweiterung der Norm ISO 22000 hauptsächlich um die Anforderungen zu den Präventivprogrammen. Diese sind verankert in dem technischen Standard ISO/TS 22002-1. Sowohl auf die ISO 22000 als auch auf den ISO/TS 22002-1 wird im Leitfaden ausdrücklich verwiesen. Wie in der VO (EG) 852/2004, der Europäischen Hygieneverordnung, verweist auch der Leitfaden auf den Codex Alimentarius. Dies ist eine Sammlung an Leitfäden, den die Weltgesundheitsorganisation WHO/FAO herausgibt. Hier ist insbesondere der Code of Practice „General Principles of Food Hygiene“ CAC/RCP 1-1969 (letzte Änderung 2003) benannt, der in Bezug auf Hygiene und HACCP vom Europäischen Gesetzgeber bindend als Vorgabe betrachtet wird.


Mitarbeiterschulungen als Basis für die Lebensmittelsicherheit

Dem Thema Qualifikation der Mitarbeiter misst der Leitfaden zur Lebensmittelhygiene eine zentrale Bedeutung bei. Es wird gefordert, dass die Lebensmittelunternehmer gewährleisten, dass ihre Mitarbeiter die nötige Qualifikation aufweisen. Interessant ist hier, dass wie in der Hygieneverordnung direkt der Unternehmer angesprochen ist, also derjenige, der ein Unternehmen zu verantworten hat. Er muss für Schulung und Qualifikation seiner Mitarbeiter sorgen. Alle Mitarbeiter, die an Arbeitsplätzen tätig sind, die in irgendeiner Weise relevant für die Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelhygiene sind, müssen adäquate Fähigkeiten nachweisen können. Durch entsprechende Schulung sollen folgende Kenntnisse und Fähigkeiten aufgebaut werden:

• Anwendung der PRPs
• HACCP-Grundsätze
• Gefahren ermitteln
• Kritische Punkte in Herstellung, Lagerung, Transport und/oder Vertrieb
• Korrekturmaßnahmen, Präventivmaßnahmen, Monitoring- und Aufzeichnungsverfahren

Bei den Schulungen kann zwischen Hygiene und HACCP Schulungen unterschieden werden. Dabei ist es wichtig, dass alle Mitarbeiter, die mit CCPs zu tun haben (sie steuern oder überwachen), in Bezug auf das HACCP-System geschult werden. Hier ist natürlich insbesondere wichtig, dass sie die Gefahren, die am CCP herrschen, kennen und mit den Steuerungsmechanismen vertraut sind.

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Wie oft müssen die Mitarbeiter zu Hygiene und HACCP geschult werden?

Die Aussage zu dieser Frage ist: „Ob und wie oft Auffrischungsschulungen benötigt werden, sollte je nach betriebsinternem Bedarf und den nachgewiesenen Fähigkeiten entschieden werden.“ Es überrascht, dass hier nicht die Rede von „jährlichen“ Schulungen zur Lebensmittelhygiene ist. Auch die Europäische Hygiene-Verordnung VO (EG) 852/2004 verlangt keine jährlichen Schulungen. Es wird lediglich gefordert, dass der Lebensmittelunternehmer die Qualifikation seiner Mitarbeiter auf Verlangen der zuständigen Behörde nachweisen kann. Dafür sind Schulungsnachweise notwendig. Jährliche Schulungen werden in der DIN-Norm zu Hygieneschulungen der DIN 10514 gefordert. Hier heißt es: „diese Schulungen sind regelmäßig (mindestens 1 x jährlich), unter Berücksichtigung der Hygienesituation und Gefahrenanalyse im Betrieb, erstmalig bei Aufnahme des Arbeitsverhältnisses durchzuführen. Bei Saison- und Aushilfskräften sollte bei der Arbeitsaufnahme eine spezielle Unterweisung in Hygiene, bezogen auf den Arbeitsplatz, erfolgen“. Diese Vorgehensweise hat sich auch als Lehrmeinung in der Lebensmittelhygiene herausgebildet. Daher werden auch von den Behörden jährliche Schulungen zusätzlich zu den Einweisungsschulungen neuer Mitarbeiter gefordert.


Was ist eigentlich eine Schulung der Mitarbeiter?

Auch diese Frage wird von dem Leitfaden Lebensmittelhygiene beantwortet. Es muss nicht immer die Teilnahme an einer „formalen Schulungsveranstaltungen“ sein. Schulungen am Arbeitsplatz werden hier gleichbedeutend genannt. Ebenso Schulungen durch „Zugang zu Fachinformationen und im Wege der Beratung durch Berufsverbände oder die zuständigen Behörden“. Alle Schulungen sollen an Art und Größe des Unternehmens angemessen angepasst werden. Wichtig ist nur, dass alle Schulungsmaßnahmen in Ihrer Schulungsbedarfsermittlung und Ihrem Schulungsprogramm berücksichtigt werden, und dass Sie für alle Schulungsmaßnahmen auch Nachweise bereithalten. Diese werden entweder von Behörden oder vom Zertifizierungsauditor gefordert.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.
Ihre Ute Wedding

 


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Besten Dank für Ihr Verständnis.

2 Comments

  1. Kalka
    13. März 2018 at 11:40 — Antworten

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    wir suchen einen Partner zur Beurteilung des aktuellen Status unseren Unternehmens im Zuge der geplanten HACCP Zertifizirung. Der Fokus ist hier erst einmal auf der Personal- und Betriebshygiene (Hygienebeurteilung) der potentiellen Risikoquellen sowie Mikrobiologie. Es handelt sich um eine Glashütte, die Gläser für Kosmetik- und Lebensmittelbereich produziert.Ich würde mich über eine Kontaktaufnahme freuen. Besten Dank
    Katharina Kalka

    • 13. März 2018 at 14:29 — Antworten

      Sehr geehrte Frau Kalka,
      vielen Dank für Ihre Anfrage. Gerne stehen Ihnen unsere Berater und Trainer auf dem Weg zur HACCP Zertifizierung unterstützend zur Seite. Sie können Ihre Anfrage direkt an Frau Brehmer – kbrehmer@vorest-ag.de – senden. Sie wird eine erste unverbindliche Abstimmung mit einem unserer Trainer in die Wege leiten und Ihnen ein entsprechendes Angebot erstellen.

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