Energie ISO 50001 & EN 16247

Abwärmenutzung in der Industrie – Ermitteln Sie Ihre Potenziale mit der Pinch Analyse – Teil 7 der Serie Energieeffizienz einfach erklärt

Abwaerme Industrie Energieeffizienz_BannerIm letzten Teil unserer Serie zur Energieeffizienz haben wir uns mit der Prozesswärme beschäftigt, der mit Abstand wichtigsten gewerblichen Energieanwendung. Bei den Einsparpotenzialen sind wir dabei auch auf die (prozessinterne) Abwärmenutzung in der Industrie gestoßen, etwa zur Vorwärmung der Verbrennungsluft im Brenner. Hingewiesen wurde auch bereits darauf, dass für die weiter verbleibende Abwärme prozessexterne Verbraucher („Wärmesenken“) gesucht werden sollten, um damit an anderer Stelle Energie einzusparen. Mit dem Thema Abwärmenutzung, das auch für Abwärme aus Kälteanlagen oder Kühlsystemen, Drucklufterzeugung und raumlufttechnischen Anlagen relevant ist, wollen wir uns in diesem Beitrag näher befassen.

Weitere Beiträge aus unserer Serie Energieeffizienz einfach erklärt:

Teil 1: Dies ist die Bedeutung der Energieeffizienz
Teil 2: Von der Energieeffizienz zur Energiequalität
Teil 3: Was ist Entropie und wie steht diese im Zusammenhang mit Energie?
Teil 4: Was ist Energie und welche Bedeutung hat sie?
Teil 5: Energieverbrauch in Deutschland – relevante Einsparpotenziale in Wirtschaft und Industrie
Teil 6: Die Prozesswärme in der Industrie als größter Energieverbraucher
Teil 7: Abwärmenutzung in der Industrie – Ermitteln Sie Ihre Potenziale mit der Pinch Analyse
Teil 8: Raumwärme und Warmwasser als Energieträger – So verbessern Sie Ihre Energieeffizienz
Teil 9: So verbessern Sie Ihre Energieeffizienz bei der Nutzung von Prozesskälte und Klimakälte
Teil 10: Energieeffiziente Elektromotoren und Pumpen als Querschnittstechnologien
Teil 11: So verbessern Sie Ihre Energieeffizienz durch energieeffiziente Beleuchtung am Arbeitsplatz

Teil 12: Energieeffizienz in der Informations- und Kommunikationstechnik
Teil 13: Energieeffizienz im Verkehr


Diese Möglichkeiten bieten sich zur Abwärmenutzung in der Industrie

Vorrangig sollte immer die prozessinterne Abwärme bevorzugt werden, denn Leitungen verursachen Kosten und Wärmeverluste. Sind die Möglichkeiten zur prozessinternen Abwärmenutzung in der Industrie allerdings ausgeschöpft, so sollte das Vorhandensein anderer Prozesse, die Wärme verbrauchen, sowie deren Anforderungen an Wärmeleistung und Temperatur, geprüft werden. Gegebenenfalls kann mit Wärmepumpen die Temperatur der Abwärme erhöht werden, um deren Anwendungsbereich zu erweitern. Sofern es Bedarf an Heizwärme gibt oder größere Mengen Warmwasser gebraucht werden, kommen auch diese für die Abwärmenutzung in der Industrie in Betracht, wobei das Potenzial von der Vorlauftemperatur der Heizung und der Warmwassermenge abhängt. Die Vorlauftemperatur der Heizung darf dabei nicht zu hoch sein, zudem sind Dampfheizungen in der Regel nicht geeignet. Allerdings können Verwaltungsgebäude oftmals mit Abwärme geheizt werden. Bei der Warmwassermenge ist zu beachten, dass die Abwärmenutzung bei kleineren Mengen oftmals unwirtschaftlich ist. Gegebenenfalls kann die Abwärme auch an benachbarte Betriebe mit Heizbedarf oder benachbarte Wohngebiete weitergegeben werden. Dann typischerweise unter Einbindung eines externen Nah-/Fernwärmenetzbetreibers. Finden sich keine sinnvollen Wärmesenken, kann Abwärme auch mittels Sorptionsanlagen zur Kälteerzeugung – sowohl für Prozess- als auch für Raumkälte – oder zur Stromerzeugung genutzt werden – bei Überschussdampf in klassischen Dampfturbinen (ggf. auch zur Vorwärmung), oder mittels alternativer Technologien wie ORC-Anlagen oder Stirling-Motor.


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Ermitteln Sie das Potenzial der Abwärmenutzung in der Industrie mit Hilfe der Pinch Analyse

Das Potenzial für eine optimale Abwärmenutzung in der Industrie kann mit der Pinch Analyse ermittelt werden; insbesondere, wenn es im Unternehmen sowohl aufzuheizende als auch abzukühlende Medien gibt – durch die Reduzierung des Kältebedarfs kann dann auch der Stromverbrauch reduziert werden. Besonders sinnvoll ist der Einsatz bei der Konzeption von Neuanlagen. Obgleich hier die Einschränkungen bei der Umsetzung größer sind, ist die Nutzung des Abwärmenutzungspotentials bei bestehenden Anlagen sinnvoll, wenn es in den Prozessen mehrere Abwärmequellen und Wärmeverbraucher mit unterschiedlichen Temperaturanforderungen gibt.

Video: Revision ISO 50001:2018

Video: ISO 50001 – Überblick über die Norm


So wenden Sie die Pinch Analyse zur Ermittlung der Abwärmenutzung in der Industrie an

Die Pinch Analyse beginnt mit der Aufstellung aller Heiz- und Kühlanforderungen und der zugehörigen (Energie-)Versorgungsströme mit den folgenden Parametern:

  • Massenstrom,
  • spezifische Wärmekapazität der zu erwärmenden/ abzukühlenden Substanz,
  • Anfangstemperatur
  • Endtemperatur

Fallen die Wärmeströme nicht gleichzeitig an, sollten zudem zeitliche Verfügbarkeiten/Bedarfe und bei größerer Entfernung die Lage festgehalten werden. Soweit nicht schon geschehen, sollte der untersuchte Prozess hinterfragt werden: sind die Massenflüsse und die Temperatur tatsächlich nötig?Die Aufstellung enthält die Daten, die für die Berechnung der Wärmeströme notwendig sind: Wärmestrom = Massenstrom × spezifische Wärmekapazität × (Endtemperatur − Anfangstemperatur); der Wert entspricht zugleich der Änderung des Enthalpiestromes ΔH.

Beispiel:
Fruchtsaft mit einem Massenstrom von 1,5 kg/s und einer spezifischen Wärmekapazität von 4,0 kJ/kg K wird von 15 °C auf 75 °C erhitzt: Der Wärmestrom beträgt 1,5 kg/s × 4,0 kJ/kg × K × (75 °C – 15 °C = 60 °C [= 60 K]) = 360 kJ/s = 360 kW. Es sind also 360 kW nötig, um den Fruchtsaft zu erwärmen.


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Die Composite-Kurven zeigen die theoretische Möglichkeit der Abwärmenutzung in der Industrie

Ein Strom mit Heizbedarf wird „kalter Strom“ genannt (Merkhilfe: er beginnt kalt); ein Strom mit Kühlbedarf „warmer Strom“. Für die Pinch Analyse werden alle kalten und warmen Ströme in einem T-H-Diagramm dargestellt, kalte Ströme von links nach rechts, warme Ströme von rechts nach links. Der Teil „Massenstrom × spezifische Wärmekapazität“ der Gleichung ist der „Wärmekapazitätsstrom“. Gibt es mehrere kalte bzw. warme Ströme, werden die Enthalpien in den Überlappungsbereichen aufaddiert, so entstehen „Composite-Kurven“, die alle kalten bzw. warmen Ströme enthalten. Im nächsten Schritt werden dann die Kurven der kalten und der warmen Ströme zusammen in dem T-H-Diagramm aufgetragen, wobei die Kurve für den kalten Strom horizontal so weit an die Kurve für den warmen Strom herangeschoben wird, dass an der Stelle, wo die beiden Kurven sich am nächsten kommen, die verfahrenstechnisch mindestens notwendige Temperaturdifferenz erhalten bleibt. „Pinch“ (engl. für „Einschnürung“) steht für diesen minimalen Abstand der Kurven. Die energetische Bedeutung ist die folgende: Oberhalb des Pinches besteht ein Wärmebedarf, unterhalb des Pinches ein Wärmeüberschuss. Wo die beiden Kurven sich auf der Enthalpieachse überschneiden, besteht zumindest theoretisch die Möglichkeit der Abwärmenutzung in der Industrie. Für energieeffiziente Systeme gilt:

  • externe Wärmezufuhr sollte es nur oberhalb des Pinches geben,
  • externe Kühlung nur unterhalb des Pinches,
  • keine Nutzung von Wärmeströmen oberhalb des Pinches für Heizzwecke unterhalb des Pinches.

Pinch Analyse Abwärme Industrie: Composite-Kurve

Pinch Analyse Abwaerme Industrie_Composite-Kurve

Wärmepumpen sollten daher z. B. immer Wärme unterhalb des Pinches entnehmen und oberhalb des Pinches abgeben. Typischerweise ist die Abwärme umso besser/wirtschaftlicher nutzbar, je höher ihr Temperaturniveau ist, je kontinuierlicher sie anfällt und gebraucht wird und je besser Abwärmeanfall und -bedarf zeitlich übereinstimmen. Abwärme in flüssigen Medien ist besser nutzbar als die in Abluft und anderen gasförmigen Medien; am schlechtesten nutzbar ist diffuse Abwärme.


Weitere Nutzungsmöglichkeiten für Abwärme in der Industrie

Besteht kein ausreichender Wärmebedarf oder ist die Nutzung von Abwärme zu seiner Deckung nicht sinnvoll oder unwirtschaftlich, so kann die Umwandlung in Kälte oder Strom geprüft werden. Zur Kälteerzeugung kommen Absorptions- oder Adsorptionskältemaschinen in Frage. Bei der Absorptionskältemaschine wird die Druckerhöhung des Kältemittels durch einen Lösemittelkreislauf erreicht: die Verdampfung des Lösemittels wird durch Wärmezufuhr erreicht. Die typischen Antriebstemperaturen liegen bei 80 bis 160 °C; verbreitet sind z. B. Ammoniak-/Wasser-Absorptionskälteanlagen. Bei der Adsorptionskältemaschine lagert sich das Kältemittel an einen Feststoff (Zeolith, Silikagel etc.) an, durch Wärmezufuhr wird es wieder freigesetzt. Die Antriebstemperatur liegt bei 60 bis 95 °C. Alternativ kommt auch die Stromerzeugung in Frage: Strom wird immer gebraucht und kann ggf. auch in das Stromnetz eingespeist werden. Bei hohen Abwärmetemperaturen (ab ca. 350 °C) ist eine Dampfturbine die effizienteste Lösung; bei niedrigeren Temperaturen (ab ca. 80 °C) kommt der Organic- Rankine Cycle (ORC) in Frage: Bei diesem wird der Wärmestrom genutzt, um eine organische Flüssigkeit zu verdampfen; mit dem Dampf wird wie im „normalen Kraftwerk“ eine Turbine angetrieben. Der elektrische Wirkungsgrad liegt je nach Abwärmetemperatur bei 10 bis 20 Prozent.

Und nun, viel Erfolg bei der Verbesserung Ihrer Energieeffizienz!
Ihr Jürgen Paeger


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1 Comment

  1. Toni Krause
    7. Juni 2019 at 12:01 — Antworten

    Vielen Dank für den interessanten Beitrag zur Abwärmenutzung in der Industrie. Ich werde meinem Onkel sagen, dass er lieber prozessinterne Abwärme bevorzugen sollte. Dass eine Leitung neben den Kosten und Wärmeverlust verursacht, ist natürlich nicht sehr wirtschaftlich.

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